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Netto verpasst seiner Eigenmarke “BioBio” schon wieder ein neues Design

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Es ist gut möglich, dass man beim Edeka-Discounter Netto am Anfang gar nicht verstanden hat, was dem Unternehmen da für ein Schatz in den Schoß gefallen ist. Als das Bundeskartellamt Ende 2008 die Übernahme des Tengelmann-Discounters Plus genehmigte und mit der Umgestaltung der Filialen in Netto-Märkte begonnen wurde, verschwanden nach und nach nicht nur die “kleinen Preise”, sondern auch zahlreiche Plus-Eigenmarken aus den Läden, um durch die von Netto ersetzt zu werden.

Das war zunächst einmal relativ undramatisch, weil den meisten Discounter-Kunden egal ist, was genau auf ihrer Butter steht.

Mit einer Ausnahme: Im März 2002 hatte Plus als erster Discounter Deutschlands Produkte mit offiziellem Biosiegel ins Angebot genommen und lag damit goldrichtig. Die Kunden wollten günstig einkaufen, waren aber bereit, für Bio-Lebensmittel mehr Geld auszugeben.

Mit “BioBio – Bio-Produkte für alle” hat sich im Laufe der Jahre eine Eigenmarke etabliert, die in der Wahrnehmung der Verbraucher fast mit “echten” Marken mithalten konnte. Auf diese Weise hob sich Plus von Wettbewerbern wie Aldi und Lidl ab, die lange Zeit ausschließlich auf niedrigste Preise setzten, und versöhnte die Günstigkäufer mit denen, die Wert auf ökologisch hergestellte Lebensmittel legten. Kurz gesagt: “BioBio” wäre für Netto das ideale Werkzeug gewesen, um den früheren Plus-Kunden die Umstellung “ihrer” Märkte leicht zu machen. Aber Kommunikation ist nicht gerade die Stärke deutscher Discounter.

Und in der Umbauphase blieben zunächst einmal viele der Regalplätze leer, wo zuvor “BioBio”-Produkte zu finden waren. Netto ließ seine Kundschaft ratlos zurück: War’s das jetzt?

Einige Kunden schimpften ins Internet hinein, dass ihnen ihr Lieblingskäse, die Tofubratlinge und die Milch weggenommen worden sei. Dabei hätte sich Netto diesen Image-Ärger ersparen können: wenn die Information weitergegeben worden wäre, dass “BioBio” seinen festen Platz im Sortiment behält – auch wenn es in den Läden erst einmal nicht danach aussah. Dass einige Produkte zeitweise nicht mehr verfügbar waren, könnte damit zusammenhängen, dass Netto zum Teil mit anderen Herstellern als Plus zusammenarbeitet und der Übergang nicht ohne kurzfristige Ausfälle zu managen war. Dazu mag sich Netto auf Anfrage aber nicht äußern.

Heute jedenfalls gehört die Eigenmarke wieder ganz selbstverständlich zum Angebot dazu. 150 bis 170 Produkte mit dem grünen Logo werden in den Märkten angeboten, je nach Saison. Außer Obst und Gemüse, Molkereiprodukten und Aufschnitt würden vor allem Nudeln und Reis besonders oft gekauft, sagt Netto-Sprecherin Christina Stylianou. “Ökotest” hat einer Auswahl gerade das Siegel “sehr gut” verliehen.

Das mag für Inhaltsstoffe und Geschmack gelten. Aber beim Packungsdesign hat sich Netto zuletzt größte Mühe gegeben, die Marke zu verhunzen.

Um sich von der Konkurrenz abzugrenzen, die inzwischen auch im Discount eigene Bio-Linien führt, ist das allerdings nicht ganz unwichtig. 2005 nannte der damalige Plus-Marketing-Chef das “ansprechende Produkt-Design” als einen der Gründe für den Erfolg von “BioBio”. Und tatsächlich fielen die Packungen für Discounter-Verhältnisse vor allem dadurch auf, dass sie einem nicht mit grellen Farben und schlimmen Schriftkombinationen aus den Regalen entgegenschrien. Im Gegenteil: “BioBio”-Produkte sahen aufgeräumt, schlicht, simpel aus – ohne billig zu wirken.

Netto hat der Einheitlichkeit nach der Übernahme ein abruptes Ende gesetzt. Statt der Schriftart Futura Book kam (unter anderem) die altmodisch wirkende Optima Bold zum Einsatz. Insgesamt wirkte das Sortiment nach der Umgestaltung unprofessioneller und rumpeliger. Vor allem aber gab es keinen – den Kunden – einleuchtenden Grund, warum überhaupt etwas geändert werden musste.

Knapp ein Jahr nachdem Plus endgültig aus den Städten verschwunden ist, steht nun der nächste Relaunch für “BioBio” an: Die Marke bekommt wieder ein einheitliches Design.


Jeweils links das alte Netto-Packungsdesign, rechts die neue Variante, die jetzt nach und nach die Regale füllt und wieder an die Plus-Verpackung erinnert. Beim Orangensaft unten ist der Unterschied am deutlichsten:

Anstatt vor weißem Hintergrund sind die Produkte auf den Verpackungen nun mehrheitlich vor grünem Hintergrund abgebildet, samt neuem EU-Bio-Siegel. Das “BioBio”-Logo steht über dem weiterhin in dunklem Grün gehaltenen Produktnamen. Darunter folgen in unterschiedlich farbigen Balken Ergänzungen wie Geschmacksrichtung und Mengenangabe (im Bild: “15 kuvertierte Aufgussbeutel”, “Pfirsich-Marille”, “mit Joghurt”). Alles sieht ein bisschen so aus als hätten die Netto-Designer gerade die Farbverlauf-Option in Photoshop entdeckt.

Die neue Schrift ist erstaunlicherweise die, die Netto erst vor einem Jahr abgeschafft hat: Futura Book. Nur sind die Produktnamen nicht mehr in Versalien gesetzt (wie damals bei Plus).

Wer derzeit bei Netto einkauft, kann sehr schön sehen, wie in den Regalen noch “alt” verpackte Produkte neben den neuen steht. “Bis Ende des Jahres” werde das Sortiment “überarbeitet” und “vereinheitlicht”, sagt Netto-Sprecherin Stylianou. (Ob auch die Produkte selbst sich ändern, weiß man als Kunde nicht.)


Drei Generationen “BioBio”-Design: Links in Futura Book (Basilikum), noch für Plus hergestellt; vorne (Emmentaler) das bisherige Netto-Design in Optima Bold; hinten (Hafertaler) die neue Variante.

Und weil die Qualität der Produkte ja gerade schon von “Ökotest” bewertet wurde, kümmern wir uns jetzt einfach ums Design. Jürgen Siebert, Autor des sehr empfehlenswerten Fontblog und Mitgründer von fontshop.com, fällt ein ziemlich hartes Urteil zur Schriftauswahl von “BioBio”:

“Optima ist aus den 60er Jahren und sehr weit verbreitet, unter anderem bei Kosmetikverpackungen, weil sie durch ihre Formgebung etwas Edles hatte. Heute sieht sie eher antiquiert aus. Futura ist eine sehr technische Schrift aus den 30er Jahren. Beide Schriften halte ich für ungeeignet, wenn es um Bioprodukte geht. Je statischer eine Schrift ist, desto neutraler wirkt sie auf den Betrachter. Das passt nicht zum Produkt, bei dem in diesem Fall ja Leidenschaft und Engagement vermittelt werden sollen. Ich glaube, hier wurde keine bewusste Schriftentscheidung getroffen. Es sieht eher so aus als sei das genommen worden, was da ist – weil beide Schriftarten bei PC und Mac relativ weit verbreitet sind.”

Im besten Fall haben sich Plus – und jetzt Netto – für Futura entschieden, eben weil sie so bekannt ist und deshalb vielen Kunden unterschwellig vertraut sein dürfte. Die Rückkehr zum Ursprung hält Siebert aber dennoch für falsch:

“Wahrscheinlich hat man sich darauf besonnen, dass in der Plus-Zeit etwas richtig gelaufen sein muss. Deshalb wird jetzt einen Gang zurück geschaltet. Man hätte auch die Chance nutzen können, sich etwas Eigenes auszudenken. Gerade in Biomärkten und Reformhäusern werden immer wieder Schriften gewählt, die nicht so statisch sind, kontrastreicher. Bio heißt ja auch: weniger technisch.”

Sieberts Vorschläge für Bioprodukt-geeignete Schriften, die auch noch nicht so verbreitet sind, sehen so aus:

Quelle: Fontshop/J. Siebert

Wobei es natürlich dringendere Probleme gibt als die Schriftauswahl für Bio-Produkte im Discounter. Und zwar bei Netto mindestens die Verpackung für die 1,5-Prozent-H-Milch, von der man im Konzern glaubt, es sei eine gute Entscheidung, sie blutrot zu verpacken. Aber darum kümmern wir uns dann ein andermal.

Vielen Dank an Jürgen Siebert für die Identifikation der “BioBio”-Schriften. Netto erklärt auf die Frage, welche Agentur für das Redesign zuständig ist bzw. welche Schriftart eingesetzt wird, nämlich: “Wir bitten um Verständnis, dass wir dies nicht kommunizieren.”

Fotos: Supermarktblog


Netto vs. Netto: Wer ist der Ramschigste im ganzen Land?

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Seit dem Eroberungsfeldzug der Sudokus sind traditionelle Fehlersuchspiele zunehmend aus ihrem natürlichen Lebensraum, dem Rätselheft, verdrängt worden. Um einen Teil zur Rettung dieser selten gewordenen Spezies beizutragen, veröffentlicht das Supermarktblog folgendes Suchbild.

Finden Sie die Fehler?

Okay, okay, das war gemogelt: Es gibt gar keine Fehler. Ein Rätsel ist es trotzdem: Warum leistet sich ein und derselbe Discounter zwei unterschiedliche (aber ähnlich hässliche) Logos?

Die Antwort: Macht er gar nicht.

Es handelt sich nämlich um zwei voneinander unabhängige Nettos, die zu unterschiedlichen Firmen gehören. Der linke, der sich offiziell “Netto Marken-Discount” nennt, ist Teil des größten deutschen Lebensmittelhändlers Edeka; der rechte gehört zum dänischen Konzern Dansk Supermarked Group, der vom mecklenburgischen Stavenhagen aus auch Filialen in Deutschland betreibt. Einfach zu unterscheiden ist das trotzdem nicht. Aus diesem Grund sei an dieser Stelle eine Differenzierung anhand des Maskottchens empfohlen: Der Edeka-Discounter hat keins (mehr), der dänische Netto trägt einen sehr aktiven schwarzen Schnauzer im Logo (was läge näher?). Im Folgenden unterscheiden wir also: “Netto (mit Hund)” und “Netto (ohne Hund)”.

Genauer geht’s nicht? Doch, doch. Man darf sich dafür nur nicht bei den Discountern selbst erkundigen. Netto-(mit Hund)-Geschäftsführerin und Pressesprecherin Margit Kühn antwortet gar nicht auf die Supermarktblog-Anfrage. Und Christina Stylianou, Pressesprecherin von Netto (ohne Hund) sagt ganz selbstverständlich:

“Wir haben in Deutschland eine einmalige Wettbewerbssituation, bei der es üblich ist, dass in einem Wettbewerbsumfeld mehrere Märkte bestehen. Die ähnlichen Firmierungen von Netto Marken-Discount und unserem Wettbewerber Netto Stavenhagen sorgen dabei kaum für Verwechslungen bei Kunden.”

Klar. Wer wäre denn auch so doof, zwei Lebensmittelmärkte durcheinander zu bringen, die beide denselben Namen tragen, sich für die Grundfarbe gelb entschieden haben und bei der Kundschaft vor allem mit günstigen Preisen punkten wollen?

Ach: Sie? Dann lesen Sie gleich weiter – den Supermarktblog-Netto-Netto-Vergleich!

* * *

Verbreitung

Netto (ohne Hund): in ganz Deutschland. Der Edeka-Discounter ist zwar nicht so groß wie Aldi und Lidl. Aber seit Netto (ohne Hund) vor zwei Jahren Plus gekauft hat (Schnüff) und auf einen Schlag um 2300 Filialen gewachsen ist, hat er sich inzwischen auf Platz 3 im deutschen Discounter-Geschäft vorgedrängelt, direkt an Penny vorbei. Insgesamt gibt es rund 4000 Netto-(ohne Hund)-Filialen. Die Übernahme von Plus ist auch mit Schuld daran, dass sich die gleichnamigen Konkurrenten jetzt überhaupt in die Quere kommen. Vorher gab es nämlich kaum Überschneidungen der Verbreitungsgebiete.

Netto (mit Hund): im Norden und Osten. Im Vergleich zur Konkurrenz ist Netto (mit Hund) viel kleiner: gerade mal 325 Märkte gibt es derzeit in Deutschland (in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt). Jährlich sollen etwa 20 bis 25 dazukommen, heißt es auf der Website des Unternehmens. In diesem Tempo könnte Netto (mit Hund) bereits in 147 Jahren mit seinem Wettbewerber gleichziehen.

Sortiment

Netto (ohne Hund): groß – aber auf kleinstem Raum. Mit seinem Konzept könnte Netto (ohne Hund) jederzeit bei “Wetten dass..?” auftreten. Statt zehn Leute in eine Telefonzelle oder 20 in einen Kleinwagen würden sich dann eben 3500 Produkte in einen engen Discounter quetschen. Das sind mehr als doppelt so viele wie ein klassischer Aldi im Regal hat (aber immer noch drastisch weniger als zum Beispiel ein Edeka). Das Konzept ist einerseits ein ziemlicher Fluch: weil kaum Vorrat in die Regale passt, der Orangensaft deshalb permanent ausverkauft ist und die Mitarbeiter ständig nachräumen müssen. Andererseits ist die theoretisch größere Auswahl für viele Kunden ein hervorragendes Argument, mal nicht zu Aldi zu gehen.

Netto (mit Hund): rumpelig. Zu Studienzwecken ist das sicher interessant: beim Einkaufen festzustellen, auf wieviele Arten sich Fleisch zerschreddern lässt, um es, mit oder ohne Geleezugabe, in Plastik zu verschweißen und aufeinanderzustapeln. Aber essen kann man das alles nicht – oder? Kühltheken im Netto (mit Hund) sehen im wahrsten Sinne des Wortes aus wie Schlachtfelder. Das ist gut für Kunden, die im eigenen Kühlschrank gerne absurde Lebensmittel sammeln, zum Beispiel “Kasseler Hawai”:

Für alle anderen ist der Dänen-Netto eher ein Lebensmittel-Kuriositätenkabinett, das – angesichts des tiefgefrorenen Salats (drei Minuten in der Mikrowelle auftauen, fertig) – übrigens auch nichttierische Produkte betrifft.

Viel problematischer ist sowieso, dass es ein Großteil der Produkte nur als Resteware gibt, dafür zum Teil in absurden Verpackungsgrößen (für exzessiven Grillgenuss etwa: 1,5 Kilo-Ketchup-Flaschen). Und obwohl im Laden Schilder mit dem Hundemaskottchen hängen, auf denen steht: “Netto ist stolz auf seine dänischen Wurzeln”, hab ich Regale mit spezifisch dänischen Produkte bisher vergeblich gesucht. Eine separate Bio-Linie gibt es nicht, neu im Angebot ist zumindest Bio-Milch der Eigenmarke “Maximum Natur” (kommuniziertes Kaufargument: “ohne Geschmacksverstärker”, was unschöne Rückschlüsse auf den Rest des Angebots zulässt). Von der gibt es aber auch Gourmet-Pökelfleisch, das eher an den Wildunfall auf einer Landstraße erinnert.

Ramschigkeit

Netto (ohne Hund): durchschnittlich bis groß. Schuld sind vor allem die kleinen Ladenflächen, von denen viele noch aus Plus-Zeiten stammen, auf die Netto (ohne Hund) aber wie gesagt viel mehr Produkte quetscht. In manchen Filialen wurden einfach zusätzliche Regalreihen gestellt. Damit sich die Kunden besser kennenlernen, wenn sie versuchen, sich mit ihren Einkaufswägen in den engen Gängen aneinander vorbei zu drängeln.

Netto (mit Hund): unschlagbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass Netto-(mit Hund)-Läden nachts von blinden, einarmigen Heinzelmännchen eingeräumt werden, liegt bei 98 Prozent. Anders lässt sich das Durcheinander in vielen Filialen nicht erklären. Das fängt damit an, dass scheinbar nichts seinen Platz hat: Der Räucherlachs steht direkt neben dem Joghurt, Leberwurst neben Müsli, Edelsülze und Debrecziner direkt über Germknödeln, Windeln vor Grillanzündern neben Hundefutter. Und die H-Milch schmiegt sich sanft an die Grillbriketts.

Die Botschaft ist klar: Wer beim Einkaufen einzig und allein ans Sparen denkt, weiß sofort, dass es billiger nicht mehr gehen kann. Noch dazu steht die Hälfte der Ladenfläche mit Aktionstischen voll, auf denen wahllos Lebensmittel, Motorenöle, Kunstblumen und Teppiche zusammengeschüttet wurden. Lassen Sie sich doch beim Einkaufen mal inspirieren! So ein mitten im Sommer günstig erworbener Isländisch-Moos-Hustenhonig wird sicher irgendwann mal von großem Nutzen sein.

Ladendesign

Netto (ohne Hund): erwartungsgemäß billig. “Pures Unvermögen” vermutet Jürgen Siebert vom Fontblog als Ursache für das “Design” bei Netto (ohne Hund). Zumindest gibt man sich größte Mühe, um jeden Preis den Eindruck zu vermeiden, es gebe eine Art Konzept für den Markenauftritt. Hinzu kommt der eiserne Wille, bloß keinen Cent zuviel auszugeben, damit die Kunden sich wohlfühlen.

Den ehemaligen Konkurrenten Plus zu kaufen, war schließlich schon teuer genug, also hat Edeka einfach möglichst viel beim Umbau der Filialen gespart. Über den Läden hängt nun das Netto-(ohne Hund)-Logo in den Farben Gelb und Rot, auch die Kassenblenden sind entsprechend eingefärbt. Einkaufswägen, Fensterrahmen und Kassentresen leuchten jedoch weiterhin im Plus-Orange. Besser ist, Sie schauen nicht zu lange hin, die Farbkombination reißt Ihnen sonst nämlich augenblicklich ein Loch in die Netzhaut.

Ärgern Sie sich doch stattdessen lieber ein bisschen, dass Netto die sympathischen “kleinen Preise” abgeschafft hat, und das, obwohl sie sich doch schon fast mit dem neuen Hausherrn angefreundet hatten, wie letzte Relikte an Netto-Filialen mahnend erinnern (siehe Foto).

Netto (mit Hund): nicht vorhanden. Mit dem Dänen-Netto ist es in der Stadt im Grunde genommen wie mit kleinen Waldtieren: man findet sie vor allem in düsteren, feuchten Höhlen – in diesem Fall: Erdgeschossen heruntergekommener Einkaufszentren und Ecklagen, die anderweitig unvermietbar wären. Zugute halten muss man Netto (mit Hund) allerdings: bei Neubauten gibt sich das Unternehmen richtig Mühe und stellt nicht ein überdimensionales Vogelhäuschen nach dem nächsten in die Landschaft wie die Konkurrenz. Dafür gab’s 2010 den Bauherrenpreis 2010 vom Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, Abteilung Wirtschaft und Bauen, wahrscheinlich der Oscar unter den Supermarktpreisen.

Drinnen sieht’s dann trotzdem genauso schlimm aus wie in den Höhlen-Läden.

Bonuspunkte

Netto (ohne Hund): Das Bio-Sortiment. Praktischerweise hat Netto (ohne Hund) zu den Plus-Läden eine der etabliertesten Eigenmarken im Discount dazu geschenkt gekriegt: BioBio – noch so ein Abgrenzungsvorteil zur Konkurrenz. Dass man ein Weilchen gebraucht hat, um das zu erkennen, stand neulich ja schon an dieser Stelle. Auf jeden Fall ist die Auswahl der Bio-Produkte einzigartig im deutschen Discount. Zumindest würde der Kunde bei Aldi eher nicht auf die Idee kommen, das Personal zu fragen, in welchem Regal er die Tofu-Bolognese findet.

Netto (mit Hund): Einkaufskörbe! Eine wahre Seltenheit im Discounter (siehe auch: “5 neue Supermarktmythen”). Und Scanner, an denen die Kunden im Laden überprüfen können, wieviel nochmal das Pökelfleisch kostet, um auf den Cent genau einkaufen zu können.

Mit diesen Informationen stehen Sie künftig nie mehr im falschen Netto! Falls Sie da überhaupt stehen. Und natürlich ist die Liste nach unten offen. Wenn Ihnen also noch Ergänzungen einfallen: nur zu!

Fotos: Supermarktblog

Expedition ins Lebensmittelreich: Warum Aldi und Lidl anders sind als Edeka und Rewe

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“Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Supermarkt und Discounter? (…) Als täglicher Einkäufer bemerke ich keinen, weiß also gar nicht, WO ich einkaufe – beim Supermarkt oder Discounter?”, hat Kommentator Wooster neulich unter einem Eintrag gefragt. Und weil das vielleicht auch ein paar andere Leser interessiert, steht hier jetzt die Antwort.

Discounter
zum Beispiel: Aldi, Lidl, Netto (ohne Hund), Penny, Norma, Netto (mit Hund)

Discounter gehören zur Gattung der Lebensmittelgeschäfte und sind ein bisschen beschränkt – was ihr Sortiment angeht. Im Durchschnitt liegen 800 bis 1600 unterschiedliche Produkte in den Regalen. Vieles wird auf Paletten reingeschoben, um die Zeit fürs Einräumen zu sparen. Discounter sind sehr preisaggressive Läden. Auf Handzetteln (und vereinzelt auch noch auf Anzeigenseiten in Zeitungen) hinterlassen sie Hinweise mit Sonderangeboten, um ihr Revier gegenüber Konkurrenten zu markieren und Kundschaft anzulocken.

Möglichst wenig Ware soll längere Zeit im Markt liegen. Deshalb gibt es vor allem Artikel, die für den schnellen Verbrauch bestimmt sind und ständig nachgekauft werden. So lohnt sich für den Discounter auch der günstige Preis, weil er seinen Umsatz eher über die Masse macht.

Lange Zeit haben Discounter vor allem städtische Randlagen besiedelt, seit einigen Jahren werden sie aber auch vermehrt in Innenstadtlagen gesichtet. Fußgängerzonen werden jedoch gemieden, weil dort die Mieten zu hoch sind. Discounter leben meist in schlichten Zweckbauten, die alle nach demselben Prinzip errichtet werden, also gleich hässlich sind. Zuletzt haben sie sich aufgrund der Sparbegeisterung ihrer Kundschaft rasant vermehrt und im Jahr 2010 etwa 57,5 Milliarden Euro umgesetzt. Damit stehen sie nunmehr der Spitze der Nahrungsmittelgeschäftekette.

Discounter lassen sich noch einmal in Untergruppen einteilen. So genannte Hard Discounter erkennt man daran, dass sie fast ganz auf Markenprodukte verzichten. Die Aldi-Gruppe etwa macht 94 Prozent ihres Lebensmittel-Umsatzes mit Eigenmarken (auch wenn viele von denen bekanntlich von Tochterfirmen der Markenhersteller produziert werden). Bei der artverwandten Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) sind es nur 61 Prozent. Im Sortiment von Netto (ohne Hund) gibt es hingegen jede Menge Marken, weil das eine Möglichkeit ist, sich als Soft Discounter von den Marktführern Aldi und Lidl zu unterscheiden. Mit durchschnittlich 3500 Produkten hat Netto (ohne Hund) auch ein deutlich größeres Sortiment.

Die Unterschiede zu Supermärkten lassen sich vor allem an äußerlichen Merkmalen erkennen: Discounter sind deutlich stärker verfliest, vor allem an Boden und Wänden, so dass sie ausgeräumt theoretisch als Hallenbäder genutzt werden könnten. Die Läden sind in der Regel um die 1000 Quadratmeter groß, damit das Angebot überschaubar bleibt. Auf eine besondere Präsentation der Waren wird verzichtet, Kunden werden vorrangig über die Niedrigpreisstrategie angelockt. Als größter Fressfeind des Discounters gilt der Supermarkt aber nach wie vor (andersrum eher nicht).

Das Sozialverhalten der Discounter ist schwierig, Selbstkannibalisierung nicht unüblich – sowohl auf Marktebene als auch bei der Mitarbeiterschaft. So reagieren höherrangige Angestellte oft äußerst angriffslustig auf geplante Betriebsratsgründungen. Die Kommunikationsbereitschaft mit Vertretern der Presse ist generell eingeschränkt.

Supermarkt
zum Beispiel: Edeka, Rewe, Kaiser’s, Tengelmann

Der Supermarkt ist eine in ganz Deutschland heimische Ladenart, die auf eine lange Tradition zurückblicken kann und sich auf den Verkauf von Lebensmitteln und Drogerieartikeln spezialisiert hat. In den Aufzeichnungen sind Supermärkte mit Selbstbedienung bei uns erstmals um 1954 erwähnt. Ausgewachsene Exemplare können heute bis zu 5000 Quadratmetern groß werden und zwischen 7000 und 12.000 Produkte parat haben. “Vollsortiment” nennt man das. Oder für alle, die sich mit Entscheidungen schwer tun: Alptraum.

Supermärkte zeichnen sich vor allem durch eine größere Auswahl an Produkten aus, zu der auch bekannte Markenartikel gehören. Die Präsentation ist deutlich aufwändiger, um sich vom Discounter abzuheben. Allerdings sind auch die Kosten für Personal, Lagerung und Miete höher, was wiederum auf die Preise umgelegt wird.

Aus diesem Grund mussten viele Supermärkte in den vergangenen Jahren einen Teil ihres Territoriums an billigere Konkurrenten abgeben. Ihr Umsatz lag 2010 aber immer noch bei 47,3 Milliarden Euro – unter anderem, weil es ihnen gelungen ist, sich an die veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Alle großen Supermarktketten haben inzwischen Eigenmarken im Sortiment, die meist genauso teuer sind wie bei der Konkurrenz. Weil es aber gleichzeitig Käse aus der Frischetheke, eine größere Weinauswahl und viel mehr Marmeladensorten zu kaufen gibt, geben Kunden bei einem Einkauf im Supermarkt mehr Geld aus als im Discounter (offiziell wird in so genannten “Durchschnittsbons” gerechnet): durchschnittlich 14 bis 20 Euro statt 10,80 Euro. Dafür werden Discounter deutlich öfter besucht.

Supermärkte sind keine sehr homegene Gruppe, sondern haben sich höchst unterschiedlich entwickelt. Je nach Lebensraum variiert ihr Aussehen – mal ist es höhlenartig und verwinkelt, vor allem in Innenstadtlagen; ein andermal großzügig mit breiten Fluren und üppigen Parkplätzen, gerne auch in Industriegebieten. Ältere Stadtsupermärkte gehören zu den bedrohten Arten, weil sich der Verkauf auf zu kleinem Raum (um die 400 Quadratmeter) kaum mehr rechnet.

Manche Supermarkt-Exemplare sind nachtaktiv, bis 24 Uhr oder sogar rund um die Uhr. Einige werden von selbstständigen Händlern betrieben, die sich der Gruppe aber weiter zugehörig fühlen.

Experten trennen zwischen verschiedenen Sonderformen, zum Beispiel den Verbrauchermärkten, die größere Flächen und eine umfassendere Produktauswahl etabliert haben. Darüber hinaus gibt es weitere Betriebstypen, die in der Öffentlichkeit aber kaum als solche wahrgenommen werden. Nämlich die folgenden.

SB-Warenhäuser / Cash+Carry
zum Beispiel: Real, Metro

Die SB-Warenhäuser und Cash+Carry-Märkte – in Abgrenzung zu den klassischen Einkaufsläden – sind eine Familie von Großmärkten, die vor allem auf der grünen Wiese existieren, aber auch in Shopping Centern neben fachfremden Händlern überleben können. Sie sind vor allem durch Flugzeughangarhaften Ausmaße gekennzeichnet und leicht an den 60 Meter hohen Hinweisschildern neben der Autobahnausfahrt zu erkennen.

Abgesehen von der Größe unterscheiden sich die beiden Ladentypen jedoch deutlich: Cash+Carry-Märkte wie Metro ernähren sich ausschließlich von Gewerbetreibenden, also Restaurant- und Ladenbesitzern, die sich dort für ihre Arbeit eindecken. Gewöhnliche Kundschaft ist für diese Art Geschäft nur schwer verdaulich und wird sofort wieder ausgeschieden. SB-Warenhäuser nehmen die Normalkunden hingegen bevorzugt zu sich. Die größten SB-Warenhäuser bringen über 60.000 Produkte auf die Waage, kleinere immerhin noch gut 33.000. Sie fühlen sich auch bei extremer Kälte wohl, wie sie aus den langen Kühlregalreihen strömt. Außer Essbarem gibt es häufig auch Fahrräder, Fernseher und Klamotten zu kaufen.

Vorsicht: Kunden sollten immer einen Kulturbeutel mit den nötigsten Toilettenartikeln dabeihaben, weil man sich in den Märkten leicht verläuft und nachts keine Drogerieartikel bezahlt werden können, weil das Kassenpersonal ausschließlich am Tag aktiv ist.

Quellen: EHI Retail Insitute, Wirtschaftslexikon Gabler, Metro Handelslexikon

Fotos: Supermarktblog, Edeka, Metro

Die kleinen Preise müssen fetter werden

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Als Edeka 2007 den Discounter Plus vom Konkurrenten Tengelmann übernahm, war das ein harter Schlag für die Population der kleinen Preise, die Plus bis dahin als Maskottchen dienlich waren (und die es eine Zeitlang sogar als Plüschversion zu kaufen gab, weil alle sie so niedlich fanden).

Mit dem Umbau der Märkte in Netto-(ohne Hund)-Filialen wurde auch das Habitat der orangefarbenen Sympathieträger stark eingeschränkt. Aus der Fernsehwerbung verschwanden sie sofort. In den Läden waren sie noch eine Zeitlang geduldet, aber lediglich, um für gestellt wirkende Bilder ihren gelb eingefärbten und mit Netto-Logo entstellten Kompagnons die Hand zu schütteln und eine Symbiose zu suggerieren, die es nicht mehr lange geben sollte.

Heute haben sich die wenigen noch existierenden kleinen Preise auf die Website des Plus-Onlineshops zurückgezogen, wo lediglich zum Download angebotene Bildschirmschoner noch an frühere Glanzzeiten als sympathisches Einzelhandelsmaskottchen erinnern.

Immerhin können sie dort ungestört ihrem Lebensabend entgegenkieksen.

Den Überläufern ist es nicht ganz so gut ergangen. Jedenfalls ist ein Teil der Kleinpreisgemeinschaft, womöglich gelockt durch falsche Versprechungen, beim neuen Filialherrn Netto (ohne Hund) verblieben, in den vergangenen Monaten aber durch fehlende Pflege und Mangelernährung ganz schwarz, klein und runzelig geworden. In den unteren Ecken der Preisschilder an Regalen und Kühltruhen fristen sie ihr Dasein und sind, gänzlich ihrer Fröhlichkeit beraubt, kaum noch wiederzuerkennen.

Dieser unwürdigen Existenz will die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ein Ende bereiten. Mitte August entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth nach einer Klage der Verbraucherzentrale, dass die schrumpeligen Minipreise auf den Schildern in Netto-(ohne Hund)-Märkten “nicht deutlich lesbar” seien, deshalb gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) verstoßen – und fetter werden müssen.

Die PAngV regelt zwar nicht in erster Linie die artgerechte Haltung von Discountermaskottchen (obwohl das durchaus notwendig wäre), aber immerhin, wie Handelsunternehmen ihre Waren auszeichnen müssen, um größtmögliche “Preiswahrheit” und “Preisklarheit” für ihre Kunden zu erreichen. In §2 der PAngV steht zum Beispiel der lustige Bandwurmsatz:

“Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Endpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises gemäß Absatz 3 Satz 1, 2, 4 oder 5 anzugeben.”

Und jetzt nochmal im Klartext: Das, was im Supermarkt verkauft wird, muss nicht nur mit einem Kaufpreis ausgezeichnet sein, sondern auch mit dem Durchschnittspreis pro Kilogramm oder Liter, damit die Letztverbra… – Entschuldigung: die Kunden diesen “Grundpreis” mit dem “Grundpreis” ähnlicher Produkte vergleichen können. Weil sie dann unabhängig von der Verpackungsgröße wissen, wie günstig oder teuer etwas ist.

Wie groß genau diese Angaben sein müssen, steht dummerweise nicht in der PAngV. Die einzige Vorgabe ist, dass die Hinweise “leicht erkennbar”, “deutlich lesbar” oder “sonst gut wahrnehmbar” sein sollen. Also handhabt das jedes Unternehmen unterschiedlich. Überall dort, wo die Auszeichnung nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW zu klein ausfällt (und damit aufgrund ihrer Unlesbarkeit ihren Zweck nicht erfüllt), mahnt sie Änderungen an, denn:

“Bei der Vielzahl an unterschiedlichen Packungsgrößen und der unüberschaubaren Anzahl an Herstellern ist die Grundpreisangabe für Verbraucher oft die einzige Möglichkeit, die Preise im Supermarkt zuverlässig zu vergleichen.” (Pressemitteilung)

Netto (ohne Hund) ist in Berufung gegangen, um das Urteil des Landgerichts überprüfen zu lassen – und zwar, weil die beanstandete Preisgröße noch aus dem Jahr 2010 stamme, erklärt Sprecherin Christina Stylianou auf Supermarktblog-Anfrage:

“Unser Unternehmen hat bereits Ende 2010, Anfang 2011, unabhängig vom laufenden Gerichtsverfahren, im Sinne unserer Kunden die Grundpreisangabe systemseitig deutlich vergrößert.”

Die deutliche Vergrößerung sieht derzeit so aus:

Auch Kaufland hat sich gegenüber der Verbraucherzentrale verpflichtet, größere Grundpreise auf ihre Schilder zu drucken. Kaiser’s, das ja zum Kleine-Preise-Erfinder Tengelmann gehört, hat ebenfalls Anfang des Jahres eingelenkt. Die Verbraucherzentrale meldete damals:

“Das Unternehmen zeigt sich einsichtig und wird im Laufe der kommenden Monate seine Etiketten bundesweit austauschen und die Grundpreise deutlicher gestalten.”

Seitdem sind elf Monate vergangen, aber der Prozess des Etikettenaustauschens scheint ein äußerst mühsamer zu sein. Denn zumindest in vielen Berliner Filialen hängen – vor allem an Kühltheken und Gefriertruhen – noch haufenweise alte Schilder neben den neuen. Immerhin lässt sich so aber recht anschaulich darstellen, dass die bisherige Grundpreisangabe ausschließlich auf das überragende Sehvermögen einkaufender Mäusebussarde abgestimmt war.

(Géramont: neues Preisschild mit größerer Grundpreisangabe; Président: altes Preisschild mit winziger Grundpreisangabe.)

(Becel pro Activ: altes Preisschild mit winziger Grundpreisangabe; Becel Vital: neues Preisschild mit größerer Grundpreisangabe.)

Auf Nachfrage, wie lange Kaiser’s denn laut der Vereinbarung brauchen dürfe, um bundesweit alle Schilder auszutauschen und ob innerhalb des laufenden Jahrzehnts damit zu rechnen sei, zeigt sich die Verbraucherzentrale NRW überrascht. Rechtsanwältin Carolin Semmler erklärt:

“Die Firma Kaiser´s Tengelmann GmbH hat gegenüber der Verbraucherzentrale NRW eine Unterlassungserklärung abgegeben, in der sie sich verpflichtet hat, die in der Erklärung näher bezeichneten Preisschilder (die Grundpreisangaben dieser Preisschilder waren gerade mal 2 mm hoch) bis zum 01.08.2011 nicht mehr zu verwenden. Im Falle einer Zuwiderhandlung wird eine Vertragsstrafe fällig. Die Höhe dieser Vertragsstrafe wird dann von der Verbraucherzentrale NRW festgesetzt und im Streitfall über dessen Angemessenheit vom zuständigen Gericht überprüft.”

Vielleicht ließe sich mit dieser Vertragsstrafe ja ein Gnadenhof für aussortierte Discountermaskottchen gründen. Damit die kleinen Preise nicht länger leiden müssen.

Fotos: Supermarktblog

Nachtrag, 17. November: Plus.de versichert in den Kommentaren, dass es den kleinen Preisen zumindest auf der Plus.de-Website gutgeht.

Überall Sonderangebote: Lidls “Super-Samstag” und die Folgen

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Mit seinem “Super-Samstag” hat Lidl im vergangenen Jahr einen furchtbaren Trend gesetzt: die Mediamarktisierung der Discounterwerbung. Während sich die großen Elektronikketten gerade von der Sonderangebotsbrüllerei verabschieden (siehe FAZ.NET), schreien nun also die Discounter ihre Kunden an, dass sie gefälligst in den Laden kommen sollen, um ausgewählte Schnäppchen abzugreifen – aber nur an ganz bestimmten Aktionstagen, solange der Vorrat reicht, wenn sie sich ganz arg beeilen und beim Einkaufen gelbe Socken tragen.

Bei Lidl hat das so gut funktioniert, dass auch die Konkurrenz sich dazu animiert fühlte, solche Aktionen zu erfinden.

Weil dabei schnell die Übersicht verloren geht, erklärt das Supermarktblog, woran Sie erkennen, welcher Aktionswochentag gerade ist. Am Ende stehen noch ein paar Vorschläge, wie auch der bisher vernachlässigte Dienstag, der Mittwoch und der Donnerstag zu etwas Sonderangebotsruhm kommen könnten.

“Super-Samstag”

Wo gibt’s das? Bei Lidl, an regulären Samstagen.
Wichtigstes Merkmal? Wöchentlich werden zwei wechselnde Markenprodukte zu stark rabattierten Preisen angeboten und im Radio beschrien. Jeder Spot wiederholt bis zu dreimal, um welche Produkte es sich handelt und zu welchem Preis sie angeboten werden (“Falls Sie’s nicht glauben können, noch einmal”), je nach Sender mehrmals stündlich. Falls Sie’s nicht glauben können, noch einmal: zwei Produkte, stark rabattiert, permanent wiederholt! Die Kampagne funktioniert ein bisschen wie die Überredungskunst fernöstlicher Teppichverkäufer: Ehe man sich versieht, sitzt man zuhause und hat einen lebenslangen Vorrat Saftschorle, Kinderjoghurt und mittelscharfen Senf eingekauft. (Beispielspot anhören.)

“Super-Wochenende”

Wo gibt’s das? Bei Netto (ohne Hund), Donnerstag bis Samstag.
Wichtigstes Merkmal? Undurchschaubares Produkt-Sammelsurium, das vor allem per Handzettel beworben wird, weil es zu lange dauern würde, im Radio nacheinander die herabgesetzten Preise für Schweinerollbraten, Delikatess-Schinkenwürfel, Herren-Boots, Spitzpaprika, Pralinen mit Pfefferminzfüllung, Schmelzkäsezubereitung, Mild-&-Elegant-Kaffee, Mandeltorte und Jubiläumskorn aufzusagen. Im Hörfunk werden stattdessen Einzelprodukte zur früheren Erkennungsmelodie der “Rudi-Carrell-Show” besungen (“Lass dich überraschen”). Der Zusammenhang ist unklar. (Beispielspot anhören.)

“Framstag”

Wo gibt’s das? Bei Penny, freitags ab 18 Uhr und samstags.
Wichtigstes Merkmal? Die Discokugel im Logo. Keine Ahnung, was die da soll. Immerhin passt das prima zur ominösen neuen Werbekampagne des Rewe-Discounters. Mit dem “Framstag” wagt sich Penny sogar ins Fernsehen: Im Spot steigt eine hochschwangere Dame mit einsetzenden Wehen ins Taxi und will “Erstmal zu Penny”, um dort 4 Kilo Kartoffeln für 49 Cent zu kaufen. Was sonst? (Fernsehspot ansehen.)

“Montags-Alarm”

Wo gibt’s das? Bei Lidl, immer am Montag natürlich.
Wichtigstes Merkmal? Der “Montags-Alarm” funktioniert eigentlich genau wie der “Super-Samstag”, bloß dass in den Radiospots noch lauter geschrien und dazu ein penetranter Alarmton eingespielt wird, der sich wie das Signal einer bevorstehenden Atomkraftwerkabschaltung anhört. Vermutlich weckt Lidl damit unterschwellig das Bedürfnis der Kunden, sich den Keller mit Lebensmittelvorräten vollzustellen, damit während eines Ernstfalls nicht eingekauft werden muss, weil die Dosenpfirsiche aufgebraucht sind. (Beispielspot anhören.)

Um die Woche vollständig mit Aktionstagen vollpflastern zu können, sollten die Discounter auch die folgenden Vorschläge berücksichtigen:

Den “Dinkel-Dienstag” – mit großzügigen Rabatten auf alle verdauungsanregenden Bio-Lebensmittel.

Den “Mettwoch” – an dem Aushilfsmitarbeiter mit Stefan-Raab-Masken hackbestrichene Brötchen aus der filialeigenen Backstation zur Verkostung anbieten.

Und natürlich den “Primadonnastag” – an dem in den Läden statt Angebotsdurchsagen Operettenmusik läuft, um ein gehobeneres Kundenklientel anzusprechen.

Weshalb sich Aldi als einziger großer Discounter aus der Aktionstage-Erfinderei raushält und warum lautstark beworbene Preisaktionen auch ziemlichen Schaden anrichten können, steht im nächsten Supermarktblog-Eintrag.

Abbildungen: Lidl, Penny, Netto

Die Rabattfalle: Wie Preisaktionen ganz schnell schief gehen können

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Angenommen, mit der folgenden Frage ließe sich bei Günther Jauch die Million gewinnen. Wahrscheinlich wüsste jeder Kandidat schon vor Einblendung der Antwortmöglichkeiten, dass es gleich was zu feiern gibt:


Foto [M]: RTL / Supermarktblog

Die richtige Antwort ist natürlich D: Tiernahrung.

Sie wissen das vermutlich, weil es vor den Werbespots der Baumarktkette Praktiker eine Zeit lang fast kein Entrinnen gab. Vor allem, nachdem sich herausgestellt hatte, dass Praktiker an Aktionstagen zum Teil ein Umsatzplus von 300 Prozent eines normalen Tages machen konnte.

Inzwischen ist das Geschichte (siehe FAZ.NET) – und Praktiker steckt trotz des zwischenzeitlichen Erfolgs in der Krise. Vor drei Wochen wurden die neusten Zahlen bekannt gegeben. Die Umsätze sind massiv eingebrochen, eine Jahresprognose traut sich die Geschäftsführung derzeit nicht zu. In den Meldungen wird unter anderem eine “verfehlte Marketingstrategie” als Grund für die Misere angegeben.

Das Problem an der 20-Prozent-auf-alles-Aktion war: Sie funktionierte so gut, dass Praktiker sie in immer kürzeren Abständen wiederholte. 2007 gab es an über 100 Tagen 20 Prozent Rabatt auf “alles außer Tiernahrung”. Die Kunden haben sich daran gewöhnt – und mit ihrem Einkauf gewartet, bis der nächste Aktionstag ausgerufen wurde. War ja meistens auch nicht zu überhören. An anderen Tagen blieben die Märkte allerdings leer.

Jetzt, da die Prozent-Aktionen abgeschafft sind, gibt es für viele Kunden keinen Grund mehr, ausgerechnet zu Praktiker zu gehen. Weil die Kette versäumt hat, ihnen einen anderen Grund dafür zu geben als den Preis.

Das Beispiel gehört zu den spannendsten in der Studie “Die große Preisfrage”, für die sich die Unternehmensberatung OC&C Consultants mit unterschiedlichen Preisstrategien im Einzelhandel beschäftigt – und damit, wie wichtig es für Handelsfirmen ist, die jeweils richtige zu finden, um erfolgreich zu sein. Rabattaktionen sind eines von vielen Mitteln, die erst einmal für Wirbel und Umsatz sorgen, aber auch völlig daneben gehen können.

Christian Ziegfeld, der die Studie bei OC&C verantwortet, sagt:

“Das Problem ist, dass an dem Tag, an dem die Aktion abgeschaltet wird, ein Unternehmen meist nichts mehr davon hat, weil sich diese nicht auf das langfristige Leistungsversprechen auswirkt.”

Das “langfristige Leistungsversprechen” hört sich zunächst einmal sehr danach an als sei es gerade aus einem Marketingfachbuch gefallen. Aber die Idee, die dahinter steckt, ist hochinteressant. Die Preisstudie geht nämlich davon aus, dass es für den Erfolg eines Unternehmens gar nicht so wichtig ist, wie günstig es seine Produkte anbietet. Entscheidend sei vielmehr, was die Kunden glauben, wie günstig die Produkte angeboten werden – also die “Preiswahrnehmung”.

Diese Preiswahrnehmung lässt sich beeinflussen, zum Beispiel durch Werbung. Aber das kollektive Gedächtnis der Kundschaft ist träge: Zwei, drei Jahre kann es dauern, bis sich die Preiswahrnehmung der Verbraucher ändert. Genau das ist auch das Problem der Rabatt-Tage.

“Natürlich hilft es erstmal, wenn durch eine Preisaktion viele Kunden in die Filiale kommen”, sagt Ziegfeld. “Die Frage ist aber: Glauben die Kunden auch noch nach einem halben Jahr, dass dieser Händler wirklich günstig ist?” Denn nur dann gehen sie dort auch einkaufen, wenn es gerade mal keine aufwändig beworbene Sonderaktion gibt.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Wenn Praktiker mit seiner Strategie so arg auf die Nase gefallen ist, warum riskieren dann Discounter wie Lidl, Netto (ohne Hund) und Penny wöchentlich dasselbe?

Die Antwort darauf lautet: weil Aldi es nicht macht.

Aldi liegt im Discountmarkt so weit vorne, dass die beiden Unternehmenshälften (Aldi Süd und Aldi Nord) dort – noch – auf Sonderaktionen verzichten können. Gleichzeitig bringt es den Konkurrenten wenig, lediglich genauso gut wie Aldi zu sein. Unterbieten lässt sich Aldi auch nicht, weil alle Discounter ihre Preise für die wichtigsten Lebensmittel permanent aneinander angleichen. Ziegfeld sagt: “Aldi ist zu groß und zu gut aufgestellt als dass die anderen Discounter im Preiswettbewerb wirklich dagegen halten können – und deshalb wird versucht, über solche Aktionen mehr Kunden anzulocken.”

Das schafft aber noch immer nicht die Gefahr aus der Welt, dass sich die Preisaktionen der Discounter negativ aufs Geschäft auswirken könnten, oder?

Doch, meint Ziegfeld, denn zumindest die Lidl-Aktion sei so konstruiert, dass sie eigentlich keinen Schaden anrichten könne. Am “Super-Samstag” werden zum Beispiel immer nur zwei Markenprodukte zu stark herabgesetzten Preisen angeboten, es gibt ein begrenztes Kontingent – und danach ist Schluss. Das ist für die Kunden leichter nachzuvollziehen als wenn ein ganzes Sortiment rabattiert wird, bei dem es von den meisten Artikeln auch noch einen ausreichenden Vorrat gibt. (Genau so war’s bei Praktiker.)

“Wenn Preisaktionen mit unterschiedlichen Zeitrhythmen, Inhalten oder Sortimenten laufen, kann der Kunde nicht vorausplanen. Noch dazu werden Lebensmittel ständig benötigt. Wenn Sie zuhause ihr Badezimmer neu fliesen wollen, planen Sie das oft ein paar Wochen vorher”, erklärt Ziegfeld. Dass Lidl mit dem “Super-Samstag” und dem “Montags-Alarm” sein Geschäftsmodell schädigen könne, glaubt er nicht.

Als Allheilmittel allerdings funktionieren Preisaktionen auch im Lebensmittelhandel kaum. Weil die übrige Konkurrenz sich anpasst und die unterschiedlichen Rabatte der Aldi-Herausforderer schon jetzt kaum noch auseinanderzuhalten sind. Und weil die generelle Preiswahrnehmung im Zweifel wichtiger ist.

“Dass es irgendwann mal eine 25-Prozent-Aktion gab, weiß nach sechs Monaten jedenfalls kaum noch jemand”, meint Ziegfeld.

Außer natürlich die Aktion hatte einen kessen Tiernahrungs-Slogan und funktioniert inzwischen als mahnendes Beispiel dafür, wie ein vermeintlich cleverer Marketingtrick ganz schnell das Gegenteil von dem bewirken kann, was er ursprünglich sollte.

Abbildungen: Lidl, Penny, Netto

Schuhcreme oder Schokolade? Die Supermarktblog-Verpackungskritik (2)

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Das Supermarktblog hat sich mit Jürgen Siebert – Design-Kolumnist, Fontblog-Autor, Twitterer und Vorstand bei Fontshop – zur Verpackungskritik getroffen. (Falls Sie den ersten Teil verpasst haben: bitte hier entlang.) Im zweiten Teil geht’s um witzig gemeinte Wurstverpackungen und Lebensmittel, die sich ins kleine Schwarze gezwängt haben.

Wenn Sie mögen, widersprechen Sie uns unten in den Kommentaren – oder komplettieren die Liste mit besonders fiesen oder tollen Verpackungen, die Sie schon mal eingekauft haben.

* * *

Herr Siebert, bevor wir weitermachen: Wie wichtig ist Design im Supermarkt überhaupt? Ist es nicht völlig egal, wie Produkte verpackt sind – Hauptsache, sie schmecken?

Siebert: Ich denke, dass ein stimmiges Produktdesign schon relevant ist. Wenn die visuelle Ansprache nicht stimmt, gilt das oft auch für andere Bereiche im Markt – dann ist vielleicht der Boden schmutzig, das Obst alt oder die Milch abgelaufen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein schlampiger Laden plötzlich eine tolle Typografie hat, oder umgekehrt. Ein Markt, der gut geführt wird, hat meistens auch ein gutes Erscheinungsbild.

Glauben Sie, dass sich Kunden davon überzeugen lassen, ein Produkt zu kaufen, bloß weil es schön verpackt ist?

Siebert: Ansprechende Verpackungen können zumindest ein Verkaufsargument sein – dazu gehören Schrift , Farbe, Material, Texts und die Inszenierung des Inhalts. Wenn bloß eines dieser Elemente nicht funktioniert, ist das Produkt nur noch halb soviel wert.

Dann bin ich gespannt, was Sie zum nächsten Schwung sagen. Die folgenden Produkte sind alle sehr unterschiedlich gestaltet, aber aus demselben Discounter.

Siebert: Aus dem Discounter? Das hätte ich nicht gedacht.

Das gibt es bei Netto (mit Hund) zu kaufen [Begriffsklärung hierund gehört zum Label “Ess-Kunst”.

Siebert: Die Heringsfilets finde ich sehr schön gestaltet, die Schokolade sieht aus als sei sie mit Sammelbildern bedruckt. Und die Witze auf der Wurstverpackung sind banal: “Heute schon Schwein gehabt?” Das mag nett gemacht sein, aber ich halte das auch für eine absolute Risikoproduktpolitik. Es gibt keine Zusammengehörigkeit, außer dem aufgedruckten blauen Label. Und das wird ziemlich erschlagen durch die – sagen wir: lebhafte grafische Gestaltung.

Es sind regionale Produkte, unter anderem aus Mecklenburg-Vorpommern, wo Netto (mit Hund) seine deutsche Zentrale hat. Die Idee war, deshalb auch die Verpackungen von Künstlern aus der Region gestalten zu lassen.

Siebert: Wenn Netto (mit Hund) Regionalität betonen möchte, ginge das viel einfacher. Zum Beispiel, indem man drauf schreibt: “Aus der Region.” Ich hätte mich auf einen durchgehenden grafischen Stil eingelassen. Wenn man schon so ein Label wie “Ess-Kunst” hat, dann müssen die Produkte auch visuell zuzuordnen sein.

Haben Sie trotzdem einen Favoriten? Und was gefällt Ihnen gar nicht?

Siebert: Wenn ich für die Produktlinie zuständig wäre, würde ich mich mal mit dem Illustrator der Heringsfilets treffen, um ähnliche Zeichnungen für die Schokolade, die Wurst und die Milch zu entwickeln. Die Schlagsahne ist besonders schlimm: Bei dem Schwarzweiß-Muster muss ich an flüssige Lakritz denken.

Für die Kuhfleckenmilch mit den Nähwertangaben im gezeichneten Euter können Sie sich nicht begeistern?

Siebert: Auf keinen Fall.

Es gibt eine letzte Kategorie. Wir fangen mit diesen beiden etwas düster verpackten Produkten an. Und ich muss gleich fragen, ob sich Schwarz als Grundton für eine Lebensmittelverpackung nicht von selbst verbietet?

Siebert: Nein, im Gegenteil. Es geht bei höherwertigen Produkten ja darum, dass sie edel wirken sollen. Das lässt sich am einfachsten mit Schwarz erreichen. Sehr überzeugend ist das hier nicht gemacht, auch wenn eine ganz nette Idee dahinter steckt. Über dem Schriftzug steht eine Krone, die sich aus Löffel, Messer und Gabel zusammensetzt. Wenn man die vergrößern würde und eine edlere Schrift nähme, ließe sich was draus machen. Auf jeden Fall erkenne ich die Absicht. Ich weiß nur trotz des Bilds immer noch nicht, was in der rechten Packung drin ist. Was Süßes? Schuhcreme?

Probieren Sie ruhig mal.

Siebert: Nee, nee. Ich lese lieber: “Feine Confiserie-Schokolade mit Trüffelcremefüllung.” Aha. Und was ist das Weiße außenrum?

Das ist die Schokolade.

Siebert: Dann ist mir das Produkt zu kompliziert. Auch hier gibt es wieder keine Einheitlichkeit. Auf die eine Verpackung ist ein Weinglas gedruckt, um den Portweinspiegel in der Pastete zu symbolisieren – das linke ist doch Pastete, oder? Auf der der anderen fehlt eine entsprechende Abbildung. Das ist nicht konsequent zu Ende gedacht. Eine eher zweitklassige Premium-Marke.

Die Produkte gibt es bei Penny zu kaufen. Ich hab aber noch ein anderes Beispiel dabei: “Feine Welt” von Rewe.

Siebert: Das kenne ich. Und natürlich fällt sofort der Unterschied auf. Man sieht gleich, wie teuer das bedruckt ist. Das goldene Signet sieht aus wie eine Erde, auf der verschiedene exotische Symbole, Luxusgüter und Rohstoffe angeordnet sind. Das hat fast etwas Koloniales. Es gibt im Moment wenige Produkte, die besser designt sind.

Aber man sieht hier erstmal die Verpackung, liest den Namen – und muss noch genauer hinschauen, um zu erkennen, was überhaupt drinsteckt, weil “Kanadas Würze” das nicht verrät.

Siebert: Die Form der Verpackung, die typische Chipstüte, und die Abbildung helfen aber.

Und die Schrift finden Sie nicht zu langweilig?

Siebert: Ich finde, die ist wunderbar ausgewählt, weil sie eine gewisse Zurückhaltung symbolisiert und sehr leicht aussieht. Light-Schriften findet man nicht so oft auf Produktverpackungen. Viele sind eher fettgedruckt und schreien die Kunden im Supermarkt förmlich an. In den Texten gibt es eine Art Dreigliedrigkeit: zuerst der Bezug zum Herkunftsland im Namen, fast wie die Überschrift zu einem Gedicht. Dann kommt die Produktbeschreibung. Und schließlich eine ausführliche Erläuterung.

Dann hab ich aber lange vorm Regal gestanden, um das alles wahrzunehmen.

Siebert: Sie zahlen ja auch eine Menge Geld dafür. Ich finde die Aufteilung gut, weil sie die Produkte konkurrenzlos macht. Das einzige was man bemängeln könnte, ist, dass schon da fast schon zu viele Elemente zusammengepackt wurden. Aber das ist wirklich pingelig. Man muss froh sein, dass ein Unternehmen so etwas Designgetriebenes zulässt.

Hätte das in Schwarz genauso gut funktioniert?

Siebert: Ich glaube, es wäre schwer gewesen, die gleiche Qualität hinzukriegen. Freigestellte Produkte kann man mit schwarzem Hintergrund nicht so schön inszenieren, dafür braucht es oft ein Fenster mit einer hellen Basis. Die Freiheitsgrade bei schwarzen Designs sind eingeschränkt.

Ganz zum Schluss: Welches der Produkte, die wir uns angesehen haben (inklusive denen vom letzten Mal), würden Sie am ehesten kaufen. Und welches würden Sie auf keinen Fall anrühren?

Siebert: Die Chips nehm ich sofort. Auf keinen Fall würde ich den Schwarzweiß-Flecken-Becher kaufen, schon wegen des Musters nicht. Da stülpt sich mir der Magen um – und der Inhalt “Saure Sahne” kriegt nochmal eine ganz neue Bedeutung.

Fotos: Supermarktblog

Auf Wiedersehen, Grüne Wiese: Der Trend geht zum “City”-Markt

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Es geht eine Erkenntnis um unter europäischen Supermarktbetreibern: Viele Kunden lehnen es ab, samstagmorgens mit dem Geländewagen an den Stadtrand zu fahren und dort in einem Supermarkt einzukaufen, der so riesig ist, dass man Brotkrumen hinter sich ausstreuen muss, um den Weg zurück zu finden.

Oder, anders gesagt: Die Grüne Wiese ist out. Willkommen in der Grauen Stadt!

Da ist meistens kein Platz, um Einkaufscenter hinzubauen. Aus diesem Grund haben die Ketten das “urban convenience store concept” erfunden. Oder wie wir einfacher gestrickten Leute sagen: den Stadtmarkt. Das Supermarktblog erklärt, was hinter den einzelnen Konzepten steckt.

Rewe City, Deutschland
Kennen Sie das? Gleich ist Feierabend, Sie wollen zuhause noch was kochen, doch – pardauz! – im Kühlschrank ist Ebbe und der nächste Wochenendeinkauf ist noch ein paar Tage hin. Was tun? Rewe hat da eine Spitzenidee: ein “Vertriebskonzept, das den aktuellen gesellschaftlichen Trends optimal gerecht wird”!

Oder wie wir Profis sagen: ein “urban convenience store concept”.

Seit 2009 nennt Rewe kleine Läden in großen Städten “Rewe City”, weil irgendjemand im Unternehmen entdeckt hat, dass die Leute gerne dort einkaufen wollen, wo sie wohnen. (Diese Teufelsmarktforscher wieder!) Das eigentlich Spannende am City-Konzept ist, dass Rewe dafür ganz bewusst auch neue Läden mitten in der Stadt sucht. Im vergangenen Jahr eröffnete eine Filiale direkt am Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße. Ansonsten halten sich konzeptionellen Besonderheiten aber in Grenzen.

Rewe sagt: Die City-Märkte haben besonders lange Öffnungszeiten. Aber das haben die normalen Märkte inzwischen auch.
Rewe sagt: In den City-Märkten gibt es ganz viel Frisches zu kaufen: Obst und Gemüse, Käse, Fleisch. Ja, genau wie in den normalen Märkten.
Rewe sagt: Die City-Märkte haben “nur” 8000 Artikel im Sortiment. Gut, das ist natürlich fatal, auf dem Heimweg nicht schnell noch ein paar aus Nicaragua importierte mandelbesplitterte Einleggurken mitnehmen zu können.

Unterschied zum normalen Rewe: minimal.

Netto City (ohne Hund), Deutschland
Falls Sie schon immer mal wissen wollten, was “fußläufig erreichbare Innenstadtlagen” sind: So bezeichnet man bei der Edeka-Tochter Netto (ohne Hund) [Erklärlink] die Orte, an denen Netto-(ohne Hund)-Läden betrieben werden, in die das ganze Zeug nicht reingeht, das die normal großen Märkte haben. Bei der Übernahme des Konkurrenten Plus wurden viele kleine Läden geerbt, die eigentlich überhaupt nicht ins Konzept passten. Die nannte man dann kurzerhand “Netto City”. Und schon passten sie.

Offiziell möchte Netto (ohne Hund) das natürlich ebenfalls als innovatives Konzept verstanden wissen, vor allem als “einziges City-Konzept in der Discount-Branche”. Die “Lebensmittelzeitung” meldete kürzlich aber, dass die City-Filialen nach und nach durch größere ersetzt werden sollen. Also nix mit Zukunft.

Unterschied zum normalen Netto: erhöhte Stapelumfallgefahr.

Carrefour City, Frankreich
Merken Sie was? So furchtbar kreativ sind die Supermarktketten bei der Namensfindung auch im Ausland nicht. Noch ein City-Konzept wurde von Europas größtem Einzelhändler Carrefour 2009 gestartet, zur gleichen Zeit wie bei Rewe. Das Prinzip ist ähnlich: Stadtfilialen heißen seitdem “Carrefour City”, derzeit sind es 355 in ganz Frankreich.

Anders als bei den deutschen Beispielen ist der Unterschied zum normalen Laden (“Carrefour Market”) aber auf den ersten Blick sichtbar: nicht nur wegen des grünen Logos und der aufgehübschten Ladeneinrichtung, sondern weil die Märkte viel konsequenter eingeteilt sind. (Hier lassen sich Fotos ansehen.) Während die hiesigen “City”-Konzepte eher als Schrumpfversionen der Ursprungsmärkte durchgehen, gibt es in einem typischen Carrefour City zwei Abteilungen:

Die für Leute, die in Eile sind, aber noch ein bisschen Kram für die Woche brauchen: Zahnpasta, Kaffeefilter, Kekse. Oder was zum Kochen. An Schnellkassen wird zackig bezahlt, noch ein Plastiktütchen dazu, und raus.

Die zweite Abteilung ist für Leute, die in nächster Zeit weder an einem Kühlschrank, noch an einem Herd vorbeikommen werden (oder wollen). Im Eingangsbereich stehen lange Kühlregalreihen mit typischem Sofortessen [Erklärlink]: Sandwichs, Softdrinks, Schokolade. Und: viel Obst. Wer nicht gleich zur Bushaltestelle weiterhetzen muss, kann sich an den Tresen im Schaufenster setzen und von den Leuten draußen beim Einnehmen der Zwischenmahlzeit zusehen lassen.

Aber Vorsicht: Carrefour City ist nur bedingt für Vegetarier geeignet. Die Franzosen können zwar hervorragend käsen. Aufs Sofortessen purzelt aber meistens noch was Wurstiges drauf.

Unterschied zum normalen Carrefour: schöner, übersichtlicher, grüner.

* * *

Zwar ist Edeka in Deutschland gerade dabei, zumindest einige seiner verwirrenden Laden-Bezeichnungen abzuschaffen. Dafür dürften in den nächsten Jahren zahlreiche neue Spezialkonzepte wie Pilze aus dem Boden schießen. Zumindest entspräche das dem internationalen Trend, der hierzulande ja gerne mit nur wenigen Jahren Verzögerung aufgegriffen wird.

Die europäische Mutter aller Supermarktexperimente, Tesco, hat’s vorgemacht und nennt seine Kleinläden “Metro” oder “Express”. Carrefour betreibt außer “City” in Frankreich inzwischen auch “Carrefour Express” (für Leute mit Kochallergie), “Carrefour City Café” (für Leute, denen es bei Starbucks zu voll war) und “Carrefour Montagne” – für Leute, die in den Bergen wohnen. Kein Witz. 2010 haben die ersten vier Läden in den Alpen und in den Pyrenäen geöffnet, inzwischen gibt es 14 Filialen. (Fotos ansehen?)

Damit es im deutschen Lebensmittelhandel bald genauso schillernd zugeht und Rewe nicht alle neuen Shop-Konzepte allein erfinden muss, seien den Unternehmen folgende Spontanvisionen ans Herz gelegt:

“Aldi Südy”: Der kompakte Stadt-Discounter für Menschen mit Abneigung gegen die Verenglischung der deutschen Sprache.

(Den ersten Schritt in diese Richtung hat Aldi Süd bereits unternommen: Ende 2011 eröffnete an der Konstabler Wache in Frankfurt eine Stadtfiliale, die drinnen zwar genauso aussieht wie alle anderen. Allerdings gibt es erstmals Einkaufskörbe für Wenigkäufer, und einen Teil des traurigen Sofortessen-Sortiments wurde in einer eigenen Kühltruhe an der Kasse aufgebahrt:)

“Real Schmal”: Die ganze Produktvielfalt eines typischen Real-SB-Warenhauses [Erklärlink] auf einem Hundertstel der Quadratmeter! Vermutlich würden sich dafür ausschließlich Immobilien mit Deckenhöhen ab 5 Metern eignen.

“Netto plus”: Netto (ohne Hund) in sympathisch. Die meisten Einkaufswagen, Kassen und Gefrierregale haben sowieso noch die alten Plus-Farben Orange und Blau. Ließe sich also leicht umsetzen. (Tatsächlich sollten die heutigen Netto-City-Läden ursprünglich “Plus Marken-Discount” genannt werden.) Statt der Kleinen Preise, die Kaiser’s Tengelmann ins Plus.de-Reservat gerettet hat, bräuchte es eventuell Ersatzmaskottchen: zum Beispiel die Kleinen Kreise – lustige runde Preisschilder mit Comic-Augen und dünnen Beinchen.

“Aldi Nord clean & beautiful”: Ein Aldi-Markt, der alle üblichen Produkte führt, aber für Kunden gemacht ist, die das Doppelte bezahlen würden, wenn die Ladeneinrichtung nicht vom Sperrmüll käme.

Sonst noch Vorschläge?

Fotos: Supermarktblog


Penny verstehen – in nur 3 Minuten

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“Ab sofort ist Frische rot”? Echt jetzt?

So steht es zumindest auf den Werbeplakaten, mit denen Penny in Berlin und Köln die komplette Stadt tapeziert hat, als dort die ersten Filialen umgebaut waren.

Das ist dieser Umbau, von dem hier schon äußerst erschöpfend berichtet wurde, oder?

Bitte mal kurz nach oben scrollen: Steht da “Supermarktblog” über dem Text? Ja? Dann spricht diesbezüglich doch wohl nichts gegen eine erschöpfende Begleitberichterstattung.

Ist ja schon gut, bloß nicht aufregen. Ich hab auch gehört, Penny hätte seinen Kunden einen Korb gegeben.

Völlig richtig. Manche haben sogar zwei oder drei Körbe bekommen. Das war symboltechnisch natürlich ein bisschen unglücklich, aber als Gag für den so genannten “City Bang” gedacht. Entgegen aller Erstassoziationen bezeichnet der bloß das ganz große Werbebohei in einer Stadt, mit dem Penny sein Aufmerksamkeitsdefizit überwinden und die Leute in die Läden locken will. Anfang März bekamen Fußgänger (unter anderem) am Berliner Alexanderplatz und am Kölner Rudolfplatz rote Einkaufskörbe geschenkt. Rote, leere Einkaufskörbe. Unnützer geht’s wirklich nicht.

Ähm, rein hypothetisch gefragt: Wo krieg ich noch so einen Korb her?

Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht in der nächsten Penny-Filiale. Denn da gibt’s, wie in fast jedem Discounter, weiterhin ausschließlich Einkaufswägen.

Eigentlich weiß ich das schon, aber du erklärst es immer so gerne – also: Wozu wird dieser ganze Aufwand nochmal veranstaltet?

Penny ist nur Nummer 4 im Discount-Markt, im Vergleich zur Konkurrenz nicht besonders erfolgreich, aber trotzdem wichtig für Rewe, weil dem Konzern sonst ein paar Milliarden Euro Umsatz flöten gehen. Bisher fehlte Penny vor allem ein Alleinstellungsmerkmal. Marktführer Aldi hat sein Dauerbillig-Image, Lidl seine Aktionstage und Netto (ohne Hund) [Erklärlink] das größte Sortiment. Jetzt will Penny offensichtlich der Discounter mit den schönsten Regalen sein.

Und: hilft’s?

Naja, alleine aufs Umbauen wollte sich die Zentrale wohl doch nicht verlassen und hat gleichzeitig eine “Frische-Offensive” ausgerufen. Wobei es nicht reichen wird, ein einsames Tiefkühlmöbel mit Smoothies, Fertigsalaten und zuckerigen Kaffeemischgetränken in die Obst- und-Gemüse-Abteilung zu stellen, um die Kundschaft davon zu überzeugen. In Prospekten wirbt Penny auch dafür, “mehrmals täglich ofenfrisch” zu backen, “täglich frisch beliefert” zu werden und sowohl Wurst als auch Molkereiprodukte “stets vorrätig” zu haben. Dabei ist das schon länger eine Selbstverständlichkeit – bei der Konkurrenz. Kann sein, dass Penny sein Angebot im Vergleich zu früher aufgebessert hat. Aber wer zwischendurch auch mal im Supermarkt oder bei Lidl einkauft, der wird das kaum als riesige Verbesserung wahrnehmen. Sondern bloß als: Standard.

Hab ich das richtig verstanden? Penny möchte mit einem Leistungsversprechen, dessen Kern sich auf eine möglichst geringe Zeitspanne zwischen der Erzeugung und der Bereitstellung eines Produkts im Laden bezieht, verstärkt Geschäftsbeziehungen mit Selbstversorgern aufbauen?

Ja. Und mit “10-Prozent-Entdecker-Rabatt”-Gutscheinen.

Lässt sich das für Statistikfans nochmal in Zahlen zusammenfassen?

Sicher: 2014. 40. 120.000. 300.000.000. 70. 70.

Sehr witzig. Jetzt bitte noch die dazu passenden Buchstaben, Graf Zahl.

Bis Ende 2014 sollen alle Penny-Filialen umgebaut sein. Derzeit werden 40 Läden in der Woche renoviert. Das kostet pro Laden durchschnittlich 120.000 Euro. 300 Millionen soll Rewe insgesamt investieren. 70 unrentable Filialen werden nicht umgebaut, sondern noch in diesem Jahr dicht gemacht. Nochmal 70 werden in Rewe-Märkte umgewandelt oder an Konkurrenten abgegeben. (Schreibt alles die “Lebensmittelzeitung”.)

Es soll doch auch neue Eigenmarken geben. Sind die gut?

Zumindest sind die alten jetzt schicker verpackt. Das Besondere daran ist, dass künftig überall “Penny” als Absender draufsteht. Das macht im Discount sonst niemand. Weil bald Ostern ist, wurden die neu designten Produkte praktischerweise in ein Suchspiel integriert. Bisher sind sie im Laden nämlich nur mit viel Geduld zu finden. Stattdessen steht weiter der alte Kram in den Regalen, erst nach und nach tauchen die hübscheren Verpackungen auf – weil die Produkte unterschiedliche Produktionsvorläufe haben.

Mal angenommen, ich wollte mich jetzt nur von den neuen Penny-Eigenmarken ernähren, dann…

…dann würde ich zunächst einen Termin beim Psychiater empfehlen, und gleich anschließend einen beim Ernährungsberater. Weil allein mit Milch, Paprikachips, Tiefkühllasagne, saurer Sahne und pampigem Kartoffelsalat vermutlich keine adäquate Nährstoffversorgung möglich ist.

Darauf wollte ich ja hinaus. Andere Frage: Penny ist jetzt sozusagen Handelszwitter? Halb Supermarkt und halb Discounter?

Genau darin besteht das Risiko. Weil der Strategiewechsel einerseits helfen wird, sich von den übrigen Discountern zu differenzieren, aber gleichzeitig die Gefahr besteht, dass Penny nicht mehr als gleichwertig günstig wahrgenommen wird und zu dicht an die Rewe-Märkte heranrückt. Ich sag bloß: Milch.

Mensch, die Milch! Wie einkartonige Zwillinge. Und was sagt die Konkurrenz?

Aldi juckt das vermutlich nicht weiter. Und Netto (ohne Hund) hat in Berlin unter Einsatz sämtlicher Kreativitätsressourcen ein Prospekt mit Niedrigpreisen verteilt, das total doppeldeutig herausposaunt: “Die Pennys können Sie sich sparen!” Immerhin: Wieder eine Woche Arbeit für einen armen Agenturfuzzi bezahlt.

Die Frage aller Fragen ist ja wohl, ob es sich lohnt, zum neuen Superfrische-Penny zu gehen. Na?

Wer beim Einkaufen gerne allein ist und viel Platz hat, kommt dort sicher auf seine Kosten. Das Problem in Berlin und Köln ist allerdings, dass die Läden jetzt zwar schicker aussehen, alle möglichen Treue-, Frische- und Liebhabversprechen auf die potenzielle Kundschaft abgefeuert wurden – aber zunächst einmal weiter das im Einkaufswagen landet, was Penny schon immer hatte. Das ist ziemlich enttäuschend nach dem ganzen Getöse. Am Bio-Sortiment hat sich auf den ersten Blick überhaupt nichts getan. Der Fertigsalat aus der Tüte sieht ehrlich gesagt auch schon am Morgen so traurig aus, dass man ihn allenfalls aus Mitleid kaufen mag, um ihn der fachgerechten Entsorgung zuzuführen. Und sowohl die teure Fruchtzuckerpampe als auch die lieblos zusammengepanschten Obstsalate passen nicht zum Discount-Konzept. Selbst wenn da im Laufe der nächsten Monate noch was passiert: Die Leute, die jetzt testgekauft haben, sind dann längst wieder weg.

Und wenn das alles schiefgeht?

Dann dürften, erstens, die Tage von Penny als Teil des Rewe-Konzerns gezählt sein. Und zweitens wird in diesem Fall die erschöpfende Begleitberichterstattung an dieser Stelle ganz neu definiert.

Ohoh, dann drücken wir denen mal fest die Daumen. Anders als versprochen sind die 3 Minuten ja auch längst vorüber.

Diesmal hätten Sie’s aber wirklich ahnen können.

Danke an den Köln-Korrespondenten!

Fotos: Supermarktblog, J. Voß

Verschleckert sich Netto (ohne Hund) mit seiner Drogerie-Strategie?

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ver | schle | ckern, sich: zu viele Drogerieartikel auf zu engem Raum anbieten

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Im März hat Netto (ohne Hund) [Erklärlink] den Drogerieabteilungen in seinen Läden ein neues Design verpasst und wirbt jetzt damit, mehr als 1000 Artikel anzubieten – das sind so viele wie Aldi Nord bisher insgesamt im Laden stehen hatte. Verschleckert sich Netto (ohne Hund) etwa mit seiner Drogerie-Strategie? Suchen Sie sich eine Antwort raus!

Neue Drogerie-Abteilung in einem Netto-(ohne Hund)-Markt

Antwort 1: Ja, ganz bestimmt!

Der plötzliche Sortimentsschub verschärft ein Problem, dass Netto (ohne Hund) schon vorher hatte. Mit über 3000 unterschiedlichen Produkten im Sortiment bietet die Nummer drei im deutschen Discount-Markt viel mehr Artikel an als die beiden Marktführer Aldi und Lidl, die auf 1000 bis 1600 Produkte kommen. Das bedeutet einen enormen Aufwand. Ständig muss nachbestellt oder nachgeräumt werden, wenn die Kunden einen Artikel weggekauft haben. Und damit jetzt auch noch die vielen neuen Duschgels, Badesalze, Haargels und Naturkosmetiksachen ins Regal passen, müssen sie aus den Lieferkartons rausgenommen werden. Das kostet die Mitarbeiter mehr Zeit als ein einfacher Kartontausch. Mehr Zeit kostet wiederum mehr Geld. Und gegen unnötiges Geldausgeben sind Discounter von Natur aus hochallergisch.

Als Netto (ohne Hund) vor vier Jahren Plus übernahm, mussten zahlreiche kleine Innenstadtläden auf das neue Konzept umgestellt werden, obwohl sie von vornherein viel zu klein dafür waren. In viele Filialen geht das alles gar nicht rein, was Netto (ohne Hund) drinhaben will.

Der Edeka-Disocunt schafft sich sein eigenes Schlecker-Problem – und hat Ende des vergangenen Jahres auch noch einen früheren Schlecker-Manager zu sich geholt. Die neuen bunten Hinweisschilder an den Regalen (Foto oben) sehen jetzt auch noch aus als seien sie günstig aus dem Nachlass der Pleite-Kette erworben worden. Das kann ja nix werden!

Discounter sind einfach keine Drogerien. Die Kunden haben sich viel zu sehr daran gewöhnt, zu Spezialisten wie dm und Rossmann zu gehen. Daran werden auch ein paar zusätzlich ins Regal gestopfte Rasiergels bei Netto (ohne Hund) nichts ändern.

Werbung für das neue Drogeriesortiment bei Netto (ohne Hund)

Antwort 2: Nein, im Gegenteil!

Quatsch. Mit seiner neuen Drogerie-Strategie macht Netto (ohne Hund) alles richtig. Dass die Edeka-Tochter damit ins Schwarze trifft, hat sich ja gerade gezeigt, als Lidl in seinem Wochenprospekt panisch die Preise für Drogerieprodukte senkte, um sich gegen die Initiative des Konkurrenten zur Wehr zu setzen.

Die neue Drogerie-Abteilung verschafft Netto (ohne Hund) einen ziemlich klaren Vorteil gegenüber Aldi und Lidl und liefert den Kunden ein weiteres Argument, ihre Einkäufe nicht einfach woanders zu erledigen, wenn sie gleichzeitig günstig einkaufen wollen, aber trotzdem gerne etwas mehr Auswahl hätten. Sicher, die Artikel einzeln ins Regal zu packen, macht erstmal mehr Arbeit – es sieht aber auch viel aufgeräumter aus. Genau darauf legen viele Kunden inzwischen großen Wert, wie ja selbst Aldi mit seinen Marktrenovierungen eingestehen muss.

Vor allem passt der Schachzug zur Gesamtstrategie: Während sich viele Discountketten und Supermärkte aus den kleinen Ortschaften zurückziehen, geht Netto (ohne Hund) mit seinen Läden wieder gezielt dorthin und bietet sich mit seinem großen Sortiment als Nahversorger an. Die Botschaft lautet: Komm zu uns, da kriegst du alles, was du sonst mühsam in anderen Läden zusammenkaufen müsstest. Nicht umsonst werden gerade die Backtheken ausgebaut. Und neuerdings können Kunden ab 20 Euro Einkaufswert Geld abheben. Supermarkt, Bäcker, Bank und Drogerie in einem: so geht Discount heute. (Und natürlich immer noch: auf Kosten der Fachhändler.)

Ende des vergangenen Jahres ist ein früherer Schlecker-Manager zu Netto (ohne Hund) gewechselt. Das sind ideale Voraussetzungen, um frühere Drogerie-Kunden zu Discount-Fans zu machen.

Antwort 3: Vielleicht schon, vielleicht aber auch nicht

Alles völlig uninteressant. Mit meinen Restposten aus dem Schlecker-Schlussverkauf kann ich eh Zähneputzen bis zur Rente.

Fotos: Supermarktblog

Statistik-Schnäppchen (3): Mango mortale?

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Fragen Sie sich manchmal auch: Wie kommt das Obst vom anderen Ende der Welt eigentlich so günstig zu uns in den Laden? Oxfam hat sich erkundigt: bei den Arbeitern, die in Peru Mangos verpacken, um sie an deutsche Supermärkte zu liefern.

Mangos aus dem Supermarkt

2011 wurden 57160 Tonnen Mangos nach Deutschland importiert, 42 Prozent davon aus Brasilien, 28 Prozent aus Peru, 5 Prozent aus Europa.

Eine Mango kostet bei Netto (ohne Hund) in dieser Woche: 1,19 Euro.

Die staatlich festgelegte Armutsgrenze für die Mango-Anbauregion im peruanischen Piura liegt bei monatlich 417 Euro pro Familie. Für die Landwirtschaft gilt diese Grenze nicht, hat die peruanische Regierung beschlossen – um die Exportlandwirtschaft zu fördern. Die von Oxfam befragten Arbeiter erhalten von den Exporteuren, die sie beschäftigen, monatlich etwa 238 Euro.

Die Erntezeit für Mangos ist auf ca. fünf Monate begrenzt. Die Mehrheit der Arbeiter aus der Oxfam-Studie haben Verträge, die auf drei Monate befristet sind.

In der Hochsaison sind Arbeitstage mit 10 bis 12 Stunden die Regel. In manchen Verträgen ist “die freiwillige Ableistung von höchstens 24 Überstunden pro Woche” geregelt.

Ein Arbeiter muss pro Tag ca. 90 Kisten mit Mangos packen. Eine volle Kiste wiegt 25 Kilo.

* * *

Oxfram schreibt, deutsche Discounter träfen mit ihren Lieferanten keine Saisonabsprachen, in denen Maximum- und Minimumpreise sowie ungefähre Liefermengen pro Woche vereinbart sind, sondern schrieben ihr benötigtes Volumen wöchentlich neu aus. Damit ließen sich Mengen und Preise ständig neu verhandeln. Das Risiko tragen allerdings die anderen, wenn sie auf ihren Früchten sitzenbleiben.

Auf Supermarktblog-Anfrage nennt Netto (ohne Hund) als Grund: eine” bessere Planbarkeit hinsichtlich der verfügbaren Mengen”. Man unterstütze aber “alle Bestrebungen, die bestehenden Standards für den Anbau von Obst und Gemüse weiterzuentwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung und Kontrolle angemessener Arbeitsbedingungen”. Die Einhaltung sozialer Mindeststandards von Lieferanten werde “verbindlich” eingefordert.

Aldi Nord erläutert auf Anfrage, man könne die Darstellung von Oxfam “nicht nachvollziehen”: Einkaufspreise würden “nicht wöchentlich neu verhandelt”. “Im Gegenteil: Unsere Lieferanten haben durch uns die volle Zusicherung, das ganze Jahr hindurch Mangos an uns zu liefern, sofern unsere Qualitätsvorgaben eingehalten werden.” Die Lieferanten würden die Bedarfsmengen einschätzen können.

Lidl verweist auf seine Stellungnahme gegenüber Oxfam und bestätigt darin, wöchentliche Preise auszuhandeln. Einen Grund nennt Lidl nicht.

* * *

Die Studie “Mangos mit Makel” mit einer ausführlichen Darstellung der Arbeitsverhältnisse in Peru und den Handelspraktiken deutscher Discounter und Supermärkte ist hier als pdf herunterladbar.

Andere “Statistik-Schnäppchen” lesen.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Oxfam, eigene Anfragen

“Mein Laden” in Bayern: Netto (ohne Hund) testet die schnäppchenfreie Einkaufszone

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Galeria-haftes Logo von "Mein Laden" im bayerischen Amberg

Sie wissen ja: Im Ausland gibt’s spezielle Frische-Discounter, Discounter in symbiotischer Existenz mit Fastfood-Ketten – und hierzulande versucht’s Netto (ohne Hund) [Erklärlink] jetzt mit einem ganz speziellen Konzept: einem Discounter ohne Sonderangebote!

Das ist angesichts der Werbeschlacht, die sich die Ketten sonst wöchentlich liefern, ein bisschen so als würde plötzlich die Discount-Hölle zufrieren. Im oberpfälzischen 40.000-Einwohner-Ort Amberg, vermutlich nicht zufällig in der Nähe der Netto-(ohne Hund)-Zentrale in Maxhütte-Haidhof, steht allerdings der Beweis: geöffnet montags bis samstags von 8 bis 20 Uhr.

Mitten in der – parkplatzfreien – Fußgängerzone testet der Aldi-Herausforderer derzeit ein Alternative zum deutschlandweit etablierten Billigprinzip. Die Preise stehen zwar noch in der Netto-(ohne Hund)-Schrift auf den Schildern, Kassenzettel versprechen “Informationen unter netto-online.de” und Prepaidkarten gibt’s wie eh und je vom Fantasie-Provider Nettokom. Äußerlich allerdings sieht die Filiale eher so aus als hätte Galeria Kaufhof Lebensmittelmarktnachwuchs bekommen. Mitte Mai machte der alte Netto City für Umbauarbeiten dicht; Ende des Monats war Neueröffnung – unter dem Namen “Mein Laden”.

"Mein Laden" im bayerischen Amberg

Die auffälligste Veränderung ist: die Farbe. Nicht gelb und rot, sondern in hellen Grüntönen ist der Laden jetzt gestrichen. Die Regale sind niedriger als gewohnt, die Gänge breiter als in üblichen City-Filialen. Das deutet darauf hin, dass Netto (ohne Hund) das umfassende Sortiment, mit dem sich der Drittplatzierte sonst im Discount-Markt gegen Aldi und Lidl zur Wehr setzen will, bei “Mein Laden” deutlich verkleinert hat.

"Mein Laden" in Amberg

Dabei ist der Name gar nicht neu: Vor sieben Jahren berichtete die “Lebensmittelzeitung” bereits über einen Test der Edeka-Regionalgesellschaft Nordbayern, die im nahe gelegenen Erlangen ebenfalls einen “Mein Laden” aufmachte. Es gebe dort keine Babynahrung, auch kein Hundefutter, ein überschaubares Drogeriesortiment, dafür aber einen starken Service. Jeder Einkauf über 15 Euro würde “mit einem Leberkäs-Brötchen oder einen Kaffee” belohnt; Kunden dürften im Laden Tageszeitung lesen und Kaffee trinken; ab einem Wert von 25 Euro würden die Einkäufe nachhause gebracht.

Das war wohl zuviel Convenience – und auch zu teuer. Jedenfalls hat es nicht funktioniert. 2010 gab Edeka das Geschäft an einen unabhängigen Kaufmann ab, der dann wenig später aufgab, weil zu wenig Kunden gekommen seien, schrieb die Lokalzeitung.

Ganz abgehakt war das Konzept danach aber nicht. Stattdessen scheint es der Edeka-Tochter Netto (ohne Hund) vererbt worden zu sein.

Eine eigene Metzgerei und Bistrotische wie im alten “Mein Laden” gibt es in der Amberger Neuauflage zwar nicht; dafür wurde die frühere City-Filiale konsequent auf ein neues Mini-Discount-Prinzip getrimmt. Der Eingang ist, ganz wie im Supermarkt, offen gehalten; in die Obst- und Gemüseabteilung ist eine niedrige Kühltheke integriert, in der es Sandwiches, Salate, Smoothies, Salami und Schokoriegel zu kaufen gibt. (Vereinzelt aber auch Lebensmittel, die nicht mit S beginnen.) Zur Rechten sticht die “Backstube” heraus, die zwar kein eigener Raum ist, entgegen sonstiger Netto-(ohne Hund)-Gewohnheiten aber recht groß ausfällt und vom Design den Brötchenknasts von Lidl auffällig ähnlich sieht; 14 unterschiedliche Aufbackwackwaren (plus separaten Baguettes) gibt es zu kaufen.

Selbstbedienungs-"Backstube" bei "Mein Laden"

Das Weinregal hat ebenfalls eine eigene Optik bekommen; die größte Veränderung betrifft jedoch die Kassenzone. Statt längs im Markt stehender Bänder, gibt es nun auf platzsparende (und automatisch süßwarenfreie) Inseln mit praktischen Korbabstellmöglichkeiten. Das sieht sehr viel schicker aus. Und ist ganz bestimmt nicht für Großeinkäufer gedacht.

Kasseninseln bei "Mein Laden"

Alles sieht so aus als teste Netto mit “Mein Laden”, ob das Konzept sich als Ersatz für die Netto-City-Filialen eignen könnte, über die zuletzt immer wieder spekuliert wurde, sie passten wegen des eingeschränkten Platzes nicht so recht ins Netto-(ohne Hund)-Konzept und würden abgestoßen werden.

“Mein Laden” wäre der Platz egal: Auf begrenztem Raum gibt es dort – zumindest in Amberg – derzeit alles, was Kunden für den täglichen Bedarf brauchen, Netto-Eigenmarken (inklusive den extra hervorgehobenen Produktlinien BioBio und Viva Vital) sowie auffällig viele klassische Marken. Das Einkaufen ist sogar ungewohnt angenehm, weil es ausgeschlossen ist, mit dem Einkaufswagen gegen irgendwelche im Weg stehende Paletten mit Sonderangeboten zu rempeln. Die gibt es nämlich gar nicht. Weder die Paletten – noch (wie eingangs erwähnt) die Sonderangebote. Deshalb fehlen, mit Ausnahme eines “Stop den Ladendiebstahl”-Hinweises und eines verirrten Pasta-Preises, auch lästige Schilder, die von der Decke baumeln.

Angebotsfreie Decke bei "Mein Laden"

Das macht den Netto-(ohne Hund)-Test besonders spannend: Akzeptiert die Kundschaft einen Disocunter, in dem es sich günstig einkaufen lässt, der aber völlig auf die gelernten Lockmittel und vermeintlichen Schnäppchen verzichtet?

Falls ja, ist das natürlich längst keine Garantie dafür, dass das neue City-Prinzip, noch dazu unter einem derart unbekanntem Namen, auch in anderen Städten funktioniert. Das malerische Amberg macht zumindest nicht den Eindruck, als könne man das Verhalten der dortigen Kundschaft nahtlos auf Großstadträume wie Berlin übertragen.

Werbung für "Mein Laden"

Ob eine Umstellung weitere Läden überhaupt in Frage kommt, ist aber sowieso Spekulation. Denn Netto-(ohne Hund)-Sprecherin Christina Stylianou sagt zu alldem auf Supermarktblog-Anfrage:

“Wir bitten um Verständnis, dass wir uns aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich nicht zu einzelnen Standorten äußern.”

Fotos: Supermarktblog

Mit Dank an Supermarktblog-Leser Johannes F. für den Hinweis!

Das Kleingedruckte (2)

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Netto-(ohne Hund)-Markt in Berlin

Im August 2011 entschied das Landesgericht Nürnberg-Fürth auf eine Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass die kleinen Preise von Netto (ohne Hund) fetter werden müssen. Nicht alle, nur die winzig kleinen Grundpreise auf den Schildern im Laden.

Der Grundpreis gibt an, was ein Produkt je Mengeneinheit kostet, also zum Beispiel auf 100 Gramm gerechnet. Supermärkte sind zur Angabe verpflichtet, damit die Kunden unterschiedliche Produkte oder Packungsgrößen leichter vergleichen können. Netto fand, zwei Millimeter Schrifthöhe seien dafür genug.

Und wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden.

Der Fall schleppte sich deshalb bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). Und der entschied im März 2013: Alles in Ordnung, die kleinen Preise dürfen so klein bleiben (I ZR 30/12). Besonders spannend ist die Begründung: Preisschilder im Supermarkt würden üblicherweise aus einer Entfernung von 50 Zentimetern betrachtet. Dabei seien die Ziffern der Netto-Grundpreise “ohne weiteres deutlich zu erkennen”, unter anderem wegen der zusätzlichen Umrandung auf den Netto-(ohne Hund)-Schildern. Das gelte auch für solche, die in der untersten Regalreihe angebracht seien. Weil ein Kunde, der die entsprechenden Produkte kaufen wolle, “sich ihnen ohnedies so weit nähern wird”, dass er die Ziffern “noch gut lesen kann”.

Kurz gesagt: Wer sich noch bücken kann, hat nach Auffassung des BGH offensichtlich auch genügend Sehkraft.

Ausschlaggebend für das Urteil war die so genannte Preisangabenverordnung (PAngV). In der ist vom Gesetzgeber geregelt, dass der Handel seine Kunden den Grundpreis nennen muss. Da steht nur nicht, wie.

“Die Preisangabenverordnung ist in diesem Fall leider nicht konkret genug formuliert”, sagt Carolin Semmler, Rechtsanwältin der Verbraucherzentrale NRW. In §1, Absatz 6 wird lediglich verlangt, die Angaben müssen “leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar” sein. “Was das heißt, lässt sich sehr unterschiedlich auslegen”, meint Semmler.

“Aus unserer Sicht muss die Preisangabenverordnung geändert werden.”

Das findet auch Jochen Hartloff. Im vergangenen Jahr startete der rheinland-pfälzische Minister für Justiz und Verbraucherschutz deshalb mit Unterstützung weiterer Bundesländer eine Initiative, um die PAngV zu konkretisieren.

“Die Rechtsprechung tut sich meiner Ansicht nach mit den aktuellen Definitionen der Preisangabenverordnung relativ schwer”, sagt Hartloff.

“Verbraucherschutzvertreter klagen sich deshalb durch mehrere Instanzen. Die Gerichte beschäftigen sich damit, welche Schriftgröße im Supermarkt in Ordnung ist. Und wer, wie ich, eine Lesebrille braucht, legt sich dann beim Einkaufen am besten auf den Bauch, um das zu entziffern?”

Die Minister plädieren, ähnlich wie die Verbraucherzentrale, für deutlichere Vorgaben: ein konkretes Größenverhältnis des Grundpreises zum tatsächlichen Ladenpreis sowie Mindestschriftgrößen.

Im Juli 2012 stimmte auch der Bundesrat für eine entsprechende “Entschließung”, eine Art Handlungsempfehlung, die ans zuständige Bundeswirtschaftsministerium weitergereicht wurde – und dort gleich wieder einkassiert. Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften sei “nicht sinnvoll”, erklärte das FDP-geführte Ministerium, und zwar mit Verweis auf das Verfahren zu den Netto-(ohne Hund)-Grundpreisen vorm BGH.

Im dazugehörigen Urteil wiederum beruft sich der BGH darauf, dass es ja trotz der Initiative der Länder keine Änderung der Preisangabenverordnung gegeben habe. Wie in einem Ping-Pong-Spiel.

Ob das Kleingedruckte im Supermarkt zu klein gedruckt ist, sollen also laut Wirtschaftsministerium die Gerichte entscheiden. Sie tun das immer wieder neu. Und immer wieder anders. ”Wenn nichts passiert, führt das aus meiner Sicht dazu, dass es weitere Verfahren geben wird, die die Verwirrung für die Konsumenten dann noch größer werden lassen”, erklärt Verbraucherschutzminister Hartloff seine Initiative zur Gesetzesänderung.

“Es geht gar nicht darum, die Supermärkte zu gängeln. Sondern um Klarheit und Einfachheit.”

Zwischenzeitlich hat sich Netto aus eigener Initiative dazu entschlossen, seine Preisschilder zu überarbeiten. Eine Sprecherin des Discounters erklärt, die Grundpreisangaben seien noch während des laufenden Verfahrens vergrößert worden:

“Auf diese Weise haben wir bundesweit die Lesbarkeit der Preisangaben für unsere Kunden weiter verbessert.”

Die Schrift ist jetzt nicht mehr zwei Millimeter hoch. Sondern: drei.

Mehr Kleingedrucktes lesen? Bitte hier entlang.

Foto: Supermarktblog

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Nieder mit den Backvollzugsanstalten!

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Häufig werden sie in viel zu kleinen Gitterkäfigen gehalten. In aneinander gereihten Fächern drängeln sich Laugenbrezeln, Frühstücksbrötchen und Buttercroissants auf engstem Raum. Tageslicht sehen sie fast nie in ihren holzimitatverkleideten Backbatterien.

So sieht für viele Backwaren inzwischen der Alltag in Deutschland aus.

Als "Backstube" getarnte Backwarenvollzugsanstalt bei Netto (ohne Hund)

Nach dem großen Erfolg von Lidl ist derzeit der Mitbewerber Netto (ohne Hund) damit beschäftigt, seine Filialen mit eigenen Backvollzugsanstalten auszustatten. Wie Supermarktblog-Kommentator McDuck unter diesem Eintrag ergänzt hat, stehen die so genannten “Backstuben” nicht nur im Amberger Discount-Test “Mein Laden”, sondern auch in vielen regulären Filialen. So sieht das aus.

Anders als Lidl verzichtet Netto (ohne Hund) auf einen teuren Anbau und stopft den Brötchenknast direkt in die – oft sowieso schon viel zu kleinen – Filialen. Ein “Backofen” ist direkt in die Front integriert, in manchen Läden reicht’s auch noch für eine Brotschneidemaschine. Damit kann Netto (ohne Hund) es zwar längst nicht mit der Auswahl aufnehmen, die Lidl seinen Kunden bietet, versucht aber, wenigstens so zu tun.

Die Backthekisierung deutscher Supermärkte und Discounter hat damit so langsam ihren Höhepunkt erreicht.

Es gibt nur noch wenige große Ketten, die ihrer Kundschaft nicht meterweise aufgebackene Industriebrötchen in den Einkaufswagen drängeln. (“Backfactory”, “Backwerk” und diverse Kettenbäcker haben ja bereits gute Vorarbeit geleistet.) Rewe forcierte den Absatz der Billigbrötchen in seinen Ost-Filialen gerade mit einem großzügig beworbenen Generalrabatt:

“15 Prozent auf alle frischen Backwaren aus der Backstation!”

Rewe wirbt mit Backrabatt

In Großbritannien passiert lustigerweise gerade das Gegenteil. Viele Briten scheinen genug vom Fertigbrot zu haben. Diejenigen, die es sich leisten können (oder wollen), kaufen stattdessen in kleinen Bäckereien ein, die vor allem in London wie, äh: Pizzabrötchen aus dem Ofen schießen und nicht nur klassische Handarbeit versprechen, sondern auch auf Zusatzstoffe verzichten. So wie die 1999 im Stadtteil Islington gegründete “Euphorium Bakery”. Sieben Filialen gibt es inzwischen in London. Jetzt ist Euphorium einen Pakt mit dem Supermarktteufel eingegangen (so sehen es jedenfalls manche Indie-Bäcker): mit Tesco.

Einerseits werden Euphorium-Filialen in größeren Tescos integriert. Andererseits passt der Handwerksbäcker mit seinen höheren Preisen nicht so recht zum Kundenprofil des Mainstream-Supermarkts. Deshalb testen die Partner seit kurzem zusammen ein neues Konzept.

Im vergangenen März eröffnete Tesco in seiner Filiale in Hackney das erste “The Bakery Project”, für das sämtliche Designverbrechen des übrigen Ladens ignoriert wurden. In der Mitte der Backbucht, die direkt vom Laden aus zugänglich ist, steht ein großer Holztisch mit frisch gebackenen Broten und Gebäck unter kleinen Häubchen. In einer Kühltheke gibt’s Torten und Kuchen. Vieles lässt sich erstmal probieren.

(Für größere Ansicht bitte anklicken.)

In Hackney testet Tesco "The Bakery Project"

Das (verpackte) Hauptangebot lagert an den Seiten in schlichten, durchnummerierten Regalen (“Bays”): rechts Brote, links Süßes. Der Schwerpunkt liegt auf britischen “Klassikern”, die auch schon vor dem Laden entsprechend aufwändig beworben werden: “The Dundee”, “The Victoria”, “The Battenberg”.

"The Bakery Project": Freiliegende Brote statt Backvollzug

Das Angebot ist ziemlich groß. Die Preise sind (im Vergleich zu den Handwerks-Bäckereien) moderat.

Zwischen den Metallregalen hängen Zutatenlisten und Rezepte zum Zuhausenachbacken.

Zuhause nachbacken? Die Zutatenliste gibt's gratis

Außerdem können die Tesco-Kunden immer montags mitentscheiden, was vorübergehend ins Sortiment aufgenommen werden soll, so wie das Knoblauch-Käse-Spinat-Jalapeno-Brot für 1,50 Pfund (“Voted in by you”).

"Voted in by you": "The Bakery Project" lässt Kunden neue Produkte auswählen

Natürlich ist das erst einmal ein großer Backzirkus, ganz ähnlich wie ihn in Deutschland Kamps mit seinen “Backstuben” seit einiger Zeit veranstaltet. Das britische Blog “Cake and Fine Wine” hat gerade sehr schön beschrieben, warum genau das funktionieren könnte: Hackney im Osten der Stadt ist der Bezirk, der gerade kräftig durchgentrifiziert wird, was weniger am nahegelegenen Olympia-2012-Standort liegt, der gerade zu einer gruseligen Mischung aus Einkaufszentrum und Spießbürgersiedlung umgebaut wird, sondern daran, dass die Studenten und die Künstler schon längere Zeit dort sind und jetzt die Leute nachkommen, die ein bisschen mehr Geld haben und eher darauf achten, was sie einkaufen.

“The Bakery Project” ist gemacht für Leute, die keine Lust auf Discount-Backwaren haben, denen aber gleichzeitig die Indie-Bäcker zu teuer sind: also ein Konzept für den (kleinen) Massenmarkt. Ein zweites “Bakery Project” hat gerade im neuen Tesco in Watford eröffnet.

Das einzige Problem ist, findet zumindest “Cake and Fine Wine”: Die Sachen schmecken nur halb so lecker wie sie aussehen.

“I’m all for putting it in supermarkets. But the Bakery Project clearly aren’t going to be the ones who do that, unless they up their game.”

Tesco-Filiale mit "the Bakery Project" in Hackney

Für deutsche Supermärkte allerdings wäre ein vergleichbares Konzept ein riesiger Gewinn. (Wobei eventuell mit Einschränkungen wegen der behördlichen Hygienevorschriften zu rechnen wäre; mehr dazu ein andermal.)

Ketten wie Rewe machen mit ihren Billigbacktheken wieder denselben Fehler wie früher mit ihren kompletten Ladenkonzepten: Sie versuchen, die Discounter mit deren Mitteln zu schlagen. Das ist dumm. Schließlich haben die Supermärkte in den vergangenen Jahren vor allem deshalb aufholen können, weil sie die Unterschiede zum Billig-Wettbewerb herausgestellt haben: mit hochwertigeren Bedientheken, einem breiteren Angebot, besonderen Produkten. Es ist höchste Zeit, dass das endlich auch für Brot und Brötchen gilt. Weil sich Supermärkte auf Dauer mit 1-Euro-Standardbrot-Aktionsangeboten keinen Gefallen tun werden.

Nieder mit den Backvollzugsanstalten!

Fotos: Supermarktblog

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Bitte recht seniorenfreundlich: Netto bringt “Mein Laden” nach Berlin und München

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“Auf gute Nachbarschaft!”, steht in großen grünen Buchstaben auf den Faltblatt, das an den Kasseninseln ausliegt. Und darunter:

“Willkommen im neuen Einkaufsmittelpunkt ganz in Ihrer Nähe. Wir werden Sie täglich überraschen – mit tollen Produkten, großer Vielfalt und bestem Service. Einfach mit allem, was Sie von einem guten Nachbarn erwarten können.”

“Mein Laden” heißt der neue Nachbar in Lankwitz, das am südlichen Stadtrand von Berlin liegt, und eingezogen ist er ins Erdgeschoss eines eher unwirtlichen Betonbaus in der Nähe des S-Bahnhofs. Obst, Hackfleisch, Joghurt, Kaffee, Seife: Gerade mal ein Dutzend Produkte wird in der Broschüre zur Neueröffnung beworben. Ziemlich untypisch für einen Discounter. Das will “Mein Laden” offensichtlich auch gar nicht mehr sein, obwohl er zu Edekas Billigtochter Netto (ohne Hund) [Erklärlink] gehört.

Nach Amberg und München: Neue "Mein Laden"-Filiale am Berliner Stadtrand

Im Frühjahr eröffnete die unweit ihrer Firmenzentrale in Bayern “Mein Laden” im Städtchen Amberg – ein Lebensmittelgeschäft, in dem auf Sonderangebote und Aktionsartikel komplett verzichtet wird. (Regelmäßige Supermarktblog-Leser wissen das natürlich längst.)

Inzwischen gibt es weitere (Test-)Filialen, die ganz grün hinter den Ohren sind. Supermarktblog-Leser Chrisn83 schreibt, dass es “Mein Laden” nach München-Bogenhausen geschafft hat. Sonderlich begeistert ist er vom Konzept aber nicht. “Mein Laden” führe vor allem teurere Produktvarianten als reguläre Netto-(ohne Hund)-Filialen:

“Ich Kunde zahle teilweise wesentlich mehr, als in einem normalen Netto. Doch damit nicht genug, das zu 100% identische Produkt kostet in ‘Mein Laden’ 17% mehr als im normalen Netto und hierbei handelt es sich um den regulären Preis, also kein Sonderangebot.”

Ob das tatsächlich Absicht ist oder dem (verkleinerten) Sortiment geschuldet, lässt sich schwer herausfinden: Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt Netto (ohne Hund) einmal mehr, keinerlei Auskunft zu “Mein Laden” geben zu wollen.

Die Kühltüten sind auch schon gedruckt: Netto meint es ernst mit "Mein Laden"

In der neuen Berliner Filiale stehen allerdings auch die regulären Netto-(ohne Hund)-Eigenmarken im Regal, und das zum gleichen Preis wie in den Discount-Läden im Stadtgebiet. Anders sieht es hingegen bei den Produkten der großen Markenhersteller aus. Von denen wird im Eröffnungshandzettel zwar kein einziges beworben, ein Großteil des Angebots besteht jedoch aus ebendiesen Artikeln – und für die verlangt Netto (ohne Hund) konsequent höhere Preise als im gelb-roten Markt.

Manchmal sind es bloß ein paar Cent, in einigen Fällen sind die Unterschiede deutlicher. Melitta-Filtertüten sind im Vergleich zum Discount-Netto (ohne Hund) um 30 Cent aufgeschlagen; Salakis-Schafskäse, Kühne-Gewürzgurken und Nutella kommen jeweils 10 Cent teurer; beim Dallmayr-Kaffee beträgt der Unterschied bereits 50 Cent. Besonders auffällig wird’s, wenn man die Aktionspreise berücksichtigt. Wer sich in der vergangenen Woche mit Maggi-Fertigpülverchen eingedeckt hat, zahlte bei “Mein Laden” über ein Drittel mehr als bei Netto (ohne Hund).

Und das Pfund Jacobs Krönung kam regulär auf 4,99 Euro – statt 3,59 Euro im Angebot. Auf einen kompletten Einkauf gerechnet kann da ganz schön was zusammen kommen.

"Mein Laden" hat breitere Gänge und ist ganz grün hinter den Ohren

Dass Schnäppchenjäger davon wenig begeistert sein werden, wird Netto (ohne Hund) einkalkuliert haben und in Kauf nehmen. Immerhin will sich die Discountkette mit “Mein Laden” aus einer Falle befreien, in die man sich mit der Übernahme von Plus selbst hineingeschubst hat.

Weil der frühere Konkurrent zahlreiche Kleinläden in die Billig-Ehe einbrachte, in die das riesige Netto-(ohne Hund)-Konzept kaum reinpasste, funktionierte der neue Eigentümer die Einkaufskaschemmen zu “Netto City”-Läden um, mit eingeschränktem Angebot und deprimierender Irrgarteneinrichtung (siehe Supermarktblog). Als Dauerlösung hat sich das nicht empfohlen.

“Mein Laden” probiert es nun mit mehr Übersichtlichkeit, breiteren Gängen, und kleineren Packungen im Regal. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass sich Netto (ohne Hund) damit vor allem in Stadtrandlagen wagt, wo eher ältere Kundschaft zu vermuten ist. Für die ist “Mein Laden” schließlich gemacht.

(In Berlin-Lankwitz sind 25,96 Prozent der Einwohner über 65 Jahre alt; im Gesamtbezirk Steglitz-Zehlendorf sind es 24,4 Prozent, der höchste Wert der ganzen Stadt. Der Schnitt liegt bei 18,9 %. Zum Vergleich: In Friedrichshain-Kreuzberg, dem jüngsten Bezirk, sind 9,8 Prozent der Einwohner über 65; Quelle: Statistisches Jahrbuch Berlin 2012, eigene Berechnungen.)

Das Clevere dabei ist, dass trotz eines (im Schnitt) vermutlich teureren Gesamtsortiments als im klassischen Discount behauptet werden kann, der neue Nachbar biete “stets günstige Preise”: Die Eigenmarken kosten ja weiter dasselbe, und von den leicht verteuerten Markenartikeln sind viele immer noch günstiger als bei der klassischen Supermarktkonkurrenz, die – wie in Lankwitz – einige hundert Meter entfernt angesiedelt ist.

Kurz gesagt: “Mein Laden” ist Netto (ohne Hunds) Versuch, eine Zwischenform im deutschen Lebensmittelhandel zu etablieren. Kein Supermarkt, kein Discounter, eher ein – Supounter.

Ohne Eröffnungsangebote: "Mein Laden"-Start in Berlin

In Lankwitz hat das zur Eröffnung in der vergangenen Woche hervorragend funktioniert. Und das ohne den üblichen Eröffnungsrabatt. Gerade einmal zu drei Lockangeboten mit vergünstigten Preisen konnte sich “Mein Laden” durchringen: Tomaten, Gurken, Bananen. Der Laden war trotzdem voll mit Kundschaft im fortgeschrittenen Alter. Im Eingangsbereich wurde eine Freifläche spontan zu einem Parkplatz für Gehhilfen umfunktioniert. An den beiden Kasseninseln bildeten sich lange Schlangen mit Senioren, die Besorgungen fürs Wochenende zu machen hatten.

Wenn das auch nach ein paar Wochen so bleibt, sieht es ganz so aus als hätte Netto (ohne Hund) mit der Umfunktionierung seiner City-Höhlen einen echten Treffer gelandet.

Mit Dank für den Hinweis an die Supermarktblog-Leser Chrisn83 und @sa_hne.

Falls bei Ihnen in der Nähe auch ein “Mein Laden” eröffnet: Schreiben Sie’s doch bitte in die Kommentare!

Fotos: Supermarktblog

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Anderswo im Angebot: Rewe geht an die Tanke, Edeka trägt Wurst aus

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Rewe will seine zapfsäulenlosen Innenstadt-Tankstellen (Bild) künftig auch an Tankstellen eröffnen (nicht im Bild)

Vor wenigen Tagen meldete dpa, die deutsche Tankstellen-Nummer-1 wolle ab sofort mit der deutschen Supermarkt-Nummer-2 zusammenarbeiten: In zwei seiner Tankstellen in Düsseldorf und Köln baut Aral im April “Rewe to Go”-Filialen ein. Neuss, Bonn und Bochum folgen. Ein Jahr solle getestet werden, ob die Konzepte zueinander passen.

Dabei wäre das eigentlich überflüssig. Schließlich sehen die bisherigen To-Go-Läden jetzt schon aus wie

zapfsäulenlose Innenstadt-Tankstellen für Liebhaber aufgewärmter Hausmannskost und Leute, die gerne soßendurchtränkte Klapppappbrote zu Mittag verspeisen.
(Supermarktblog im November 2012)

Drei Jahre nach dem Start steckt Rewes angebliches Convenience-Format schon in der Midlife Crisis und weiß selbst nicht, was es sein will: ein Minisupermarkt mit heißer Theke (wie im Kölner Hauptbahnhof), bei dem nicht klar ist, warum nicht “Rewe City” dran steht; oder ein Mittagspausenversorger ohne echtes Alleinstellungsmerkmal (wie in der Fußgängerzone ein paar hundert Meter stadteinwärts).

Zur Gründung hieß es, “Rewe to Go” solle Schnellrestaurants wie McDonald’s oder Kaffeeketten wie Starbucks Konkurrenz machen. Davon sind die Kölner derzeit meilenweit entfernt. Und jetzt stellt sich womöglich raus, dass Rewe was erfunden hat, dass es schon längst gab: einen Tankstellenshop.

* * *

Die australische Supermarktkette Coles ist schon einen Schritt weiter und stellt an Tankstellen Stationen auf, wo sich die vorher online bestellten Lebensmittel-Einkäufe abholen lassen.

In Großbritannien ziehen die Supermärkte gerade nach: Die Walmart-Tochter Asda nimmt “Collection Points” in Betrieb, in denen die bestellte Ware – falls nötig auch gekühlt – so lange lagert, bis der Kunde Zeit hat, vorbeizukommen. Supermarkt-Experte Steve Dresser hat in seinem Blog “Grocery Insight” Bilder veröffentlicht. Der von ihm an einem Asda-Markt in Putney gesichtete Draußenkühlschrank ist riesig, hat aber nur 36 Fächer – offensichtlich rechnet Asda vor allem mit Großbestellungen. Auf den Fotos sind auch die Lüftungsschlitze für die Kühlung gut zu erkennen. Kooperationspartner der Lebensmittel-Packstation ist das britische Unternehmen Bybox.

In Deutschland kümmert sich EmmasBox darum, Supermarkt-Partner für ganz ähnliche Draußenkühlschränke zu kriegen (siehe Supermarktblog). Eine erste Box wird demnächst aber erstmal in der Nähe von Linz aufgestellt und von einem österreichischen Supermarkt mit geschlossenem Kundenkreis getestet, heißt es bei den Münchner Entwicklern.

* * *

Es muss eine wunderbare Welt der Selbstzufriedenheit sein, in der Edeka-Südbayern-Chef Hans Georg Maier über “die “Zukunft” sinniert, so wie er’s gerade im Interview mit der “Lebensmittel Praxis” (Ausgabe 6/2014) getan hat. “Die Zukunft” passiert in südbayerischen Supermärkten nämlich praktischerweise erst dann, wenn Maier es will und sagt. Und gerade sagt er erst einmal:

“Manchmal ist weniger mehr.”

Weil die Umsätze steigen und die Rendite stimmt, belastet sich Edeka im Süden Deutschlands nicht mit übertriebenen Überlegungen, wie die Kunden übermorgen einkaufen könnten – und modernisiert in Trippelschrittchen. Während die Edeka-Zentrale das Marken-Chaos in den Läden einzudämmen versucht, bringt Maier im Herbst eine neue regionale Eigenmarke in die Regale. In neugebauten Märkten werden die Decken “höher als früher”, die Regale niedriger und die Fleischtheken weiß-blauer. Kurz: “Es gibt einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.”

Vom Online-Handel mit Lebensmitteln ist Maier nicht so begeistert:

“Angekündigt haben das schon viele, aber Erfolg hat damit noch niemand.”

Ganz will er dann aber doch nicht darauf verzichten und kündigt an:

“Wir werden unsere innovativen Wurstspezialitäten, die wir mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt haben, noch im Laufe dieses Jahres auch online vermarkten. (…) Die Preise sollen denen im stationären Handel entsprechen, allerdings wird es eine Mindestbestellmenge und eine Zustellgebühr geben. (…) Eine Ausweitung auf andere Produkte ist derzeit nicht in Planung.”

So ist das bei Deutschlands größter Supermarktkette im Jahr 2014. Während die Konkurrenz unter größten Anstrengungen probiert, den Online-Handel mit Lebensmitteln in Gang zu bringen, will Edeka künftig deutschlandweit die eigenen “Wurstinnovationen” vom Paketboten austragen lassen.

In der Welt von Hans Georg Maier wird das sicher ein großer Erfolg.

* * *

Und falls Sie am Montag den “Markencheck extra” über Netto (ohne Hund) im WDR nicht weitersehen konnten, weil Ihnen wegen der Brillenkamera-Wackelbilder am Anfang schwindelig geworden ist, sei hiermit die originellste Erkenntnis nachgereicht. Die Redaktion hat bei ihren Recherchen herausgefunden, wo sich Netto (ohne Hund) für die Namen seiner Fantasie-Eigenmarken inspirieren lässt: Auf der Nachhausefahrt aus dem Industriegebiet der bayerischen Zentrale in Maxhütte-Haidhof.

Das auf Fleisch-Packungen abgebildete “Gut Ponholz” zeigt jedenfalls die frühere Post im Nachbarort (im Video ab Min. 26’38).

* * *

“Anderswo im Angebot” ist die Supermarktblog-Medienschau. Ältere Ausgaben stehen hier.

Foto: Supermarktblog

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Das große Preisschießen: Netto (ohne Hund) und die “Gold-Coupons”

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Netto-(ohne Hund)-Filiale in Berlin

Damit wir beim Einkaufen Angebote schneller erkennen können, haben Schilder mit Aktionspreisen in vielen Supermärkten und Discountern besondere Farben. Bei Netto (ohne Hund) [Erklärlink] sind sie gelb. Außerdem steht neben dem Produktnamen über dem Preis: “Aktion”.

Also so.

Weil gerade Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien ist, ist auf den Schildern derzeit auch “WM-Aktion” zu lesen, zur speziellen Kennzeichnung brasilianischer Spezialitäten wie – tiefgefrorener “Dorade”. (Die eigentlich aus dem Mittelmeer kommt.) Abgesehen davon hängt Netto (ohne Hund) auch Schilder auf, die mit einer “Preissenkung!” werben, ebenfalls gelb sind und zusätzlich zum Grundpreis (links in der Ecke) auch den durchgestrichenen vorherigen Preis aufgedruckt haben. Damit hat der Edeka-Discounter sein Preisschildbenamungsreservoir aber noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt auch gelbe Preisschilder, auf denen steht “Nur für kurze Zeit”. Oder: “Auf Dauer billig!”.

Eines aber haben alle gemeinsam: Als Kunde soll man sofort wissen, dass es sich um ein besonderes Angebot handelt.

Nun gibt Netto (ohne Hund) seit einer Weile auch ein eigenes Kundenmagazin heraus. Es heißt “gold – das Star-Magazin” und ist eine eigentümliche Mischung aus Promi-Klatsch, Rezepttipps, als Text verkleideter Produktwerbung und Rabattcoupons.

"gold - Das Star-Magazin" kostet bei Netto (ohne Hund) 66 Cent

Wer ebendiese “Gold-Coupons” aus der Heftmitte trennt und an der Kasse vorzeigt, erhält eine wechselnde Auswahl von Produkten zu besonderen Konditionen.

Am Regal waren diese Produkte zuletzt ebenfalls mit gelben Preisschildern gekennzeichnet. (Zumindest in manchen Märkten.) Statt “Aktion” stand “Gold Coupon” über dem Preis, und daneben in einem schwarzen Sechseck der Euro-Betrag, den man “SOFORT (…) sparen!” konnte. Außerdem stand da in sehr kleiner Schriftgröße (oder wie der korrekte Tunnelblick-Einkaufsterminus heißt: “unsichtbar”), dass man vorher das “gold”-Magazin für 66 Cent an der Kasse erstanden haben und die herausgetrennten Coupons vorzeigen müsse.

So zum Beispiel:

Schattenmorellen für 1,99 Euro (mit 'Gold-Coupon' weniger)

Die Schattenmorellen kosten regulär 1,99 Euro. Mit “Gold-Coupon” werden an der Kasse 40 Cent abgezogen.

Noch ein Beispiel: Das Vollkorn-Müsli kostet regulär 1,89 Euro. Mit “Gold-Coupon” werden an der Kasse wieder 40 Cent abgezogen. Ganz leicht, oder?

Müsli für 1,89 Euro (mit 'Gold-Coupon' weniger)

Dann sind Sie bereit für die zweite Schwierigkeitsstufe am Regal mit den Paprika-Sticks. Die kosten nicht 1,58 Euro pro Packung, wie da in großen Ziffern auf dem Schild steht. Sondern 79 Cent. (Steht ganz klein unter den 1,58 Euro drunter.) 1,58 Euro kosten zwei Packungen Paprika-Sticks. Es sei denn, Sie haben den entsprechenden “Gold-Coupon” parat, dann kriegen sie eine dritte dazu geschenkt.

Zwei Packungen Paprika-Sticks für 1,58 Euro (mit 'Gold-Coupon' gibt's eine dazu)

Beim Pesto ist es ähnlich: Der große Preis (5,78 Euro) ist der für zwei Gläser – oder für drei mit “Gold Coupon”. Der winzige darunter (2,89 Euro) ist der reguläre für ein Glas ohne “Gold-Coupon”. Der mittelgroße links daneben (8,67 Euro durchgestrichen) der reguläre für drei Gläser, wenn man sie ohne die “3 für 2″-”Gold-Coupon”-Aktion kaufen würde. Und der kleinste daneben ist der Grundpreis pro 100 Gramm.

Zwei Gläser Pesto für 5,78 Euro (mit 'Gold-Coupon' gibt's eins dazu)

Verstehen Sie das?

Na gut: Was kostet ein Flaschengebinde Eistee ohne “Gold-Coupon”, wenn auf dem gelben Preisschild groß 2,45 Euro steht? 2,45 Euro (wie oben bei den Schattenmorellen und dem Müsli)? Die Hälfte von 2,45 Euro (wie bei den Paprika-Sticks und dem Pesto)?

Sechs Flaschen Eistee für 2,45 Euro (aber nur mit 'Gold-Coupon')

Nein. 2,45 Euro sind der Preis für ein Gebinde mit “Gold-Coupon” (“Nimm 6, zahl 5″). Ohne sind es regulär 2,94 Euro. Sie erkennen das am durchgestrichenen Preis links neben dem Grundpreis, der so aussieht wie der durchgestrichene Preis auf den normalen “Aktion”-Preisschildern, aber nur für “Gold-Coupon”-Besitzer nicht gilt.

Netto (ohne Hund) macht sich also einerseits die Mühe, seine Kunde mit der Signalfarbe Gelb auf vermeintliche Aktionspreise am Regal hinzuweisen. Und strengt sich gleichzeitig an, diese Klarheit gleich wieder zu ruinieren, indem auf den “Gold-Coupon”-Regalschildern die Systematik der Preisangabe ständig wechselt, weil darauf entweder der normale Einzelpreis und “Gold-Coupon”-Preise für unterschiedliche Produktmengen stehen.

Auf eine Supermarktblog-Anfrage, ob man Kunden damit wissentlich irritiere, hat sich Netto (ohne Hund) auch nach mehrfacher Nachfrage nicht geäußert. Inzwischen scheint die Mehrzahl der “Gold-Coupon”-Schilder aus den Läden wieder verschwunden zu sein.

Dank an Supermarktblog-Leser Nils W. aus Hannover für den Hinweis!

Fotos: Supermarktblog

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Wer einkauft, liest nicht: Discount-Eigenmarken gestern und heute (1)

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Fischen Sie aus dieser Discounttiefkühltruhe bitte schnell die Qualitäts-Fischstäbchen heraus. Zack, zack – eben war die Schlange an der Kasse noch nicht so lang. Zuhause wartet sicher schon die Familie mit einem Braunbärenhunger.

Abbildungsalternativarme Panierquader: "Iglo" und "Sea Gold" in der Tiefkühltruhe von Netto (ohne Hund)

Haben Sie?

Und was ist im Einkaufswagen gelandet – “Iglo” oder “Sea Gold”? Bzw.: Haben Sie überhaupt bemerkt, dass da unterschiedliche Marken rumfrieren? Falls ja, liegt das sicher daran, dass Sie als regelmäßige Leser dieses Blogs quasi zu den Experten unter den Einkaufslaien gehören. Denn designt hat Netto (ohne Hund) seine Tiefkühlfisch-Eigenmarke natürlich so, dass dem eiligen Kunden der Unterschied zu Iglo kaum auffällt.

Sowohl die Fischstäbchen vom Markenhersteller als auch die von Nettos “Sea Gold” stecken in der gleichen blauen Packung. Die Markenlogos stehen beide Male links in der Ecke, mit weißer Schrift auf (leicht unterschiedlich) geschwungenen Schippchen mit hellrotem Farbverlauf. Weil Fischstäbchenabbildungen generell eher alternativarm sind, sehen die Panierquader auf den zwei Packungen nahezu identisch aus. (Netto hat sich für eine zusätzliche Petersiliendeko entschieden.) Beide Marken tragen das MSC-Zertifikat für nachhaltige Fischerei. Netto (ohne Hund) hat zur zusätzlichen Unübersichtlichkeitsförderung das Pandalogo seines Kooperationpartners WWF hinzu gefügt, Iglo druckt ein “Forever Food”-Fantasielogo daneben. (Und natürlich fehlt Netto in diesem Fall nicht nur der Hund, sondern auch der Käpt’n.)

Kurz gesagt: Die “Sea Gold”-Packung sieht so aus wie sie aussieht, um mit der von “Iglo” verwechselt zu werden.

Im Discount gibt es eine lange Tradition, Eigenmarken ihren Vorbildern zum Verwechseln ähnlich aussehen zu lassen. Aldi hat deswegen gerade in Großbritannien Ärger mit dem Markenhersteller “The Saucy Fish Co.” bekommen, weil der sich sehr wunderte, dass Aldis Discount-Lachs dem eigenen nicht nur die Chili-Limone-Ingwer-Würzsoße nachmachte, sondern auch die Verpackung.

Dass ein Hersteller sich gegen eine solche Kopie wehrt, ist selten. Entweder, weil er sie im Auftrag des Händlers als No-Name-Produkt selbst produziert. Oder weil er nicht das Risiko eingehen will, sich die Geschäftsbeziehungen mit den großen Ketten zu verderben. Irgendwer muss die Markenprodukte ja auch verkaufen.

(Im oben genannten Fall war das Risiko für The Saucy Fish Co. gering, da Aldi kein Hauptumsatzpartner ist und trotz steigender Umsätze einen eher überschaubaren Marktanteil in Großbritannien hat.)

Der britische Supermarktforscher Siemon Scamell-Katz kann erklären, warum es diese Gleichmacherei überhaupt gibt: Weil wir uns als Kunden im Laden vor allem an gelernten Farben und Mustern orientieren – und nur in den allerseltensten Fällen überhaupt lesen, was auf der Packung steht. Das war zumindest das Ergebnis einer seiner Blickerfassungsstudien, bei der Kunden im Laden mit lustigen Brillen herumlaufen, die aufzeichnen, was die Testkunden im Laden wahrnehmen (“Eye Tracking”). Scamell-Katz kommt zu dem Ergebnis:

“Kunden lesen z.B. nicht ‘Coca-Cola light’, wenn sie eine Zwei-Liter-Flasche kaufen. Sie sehen eine braune Flüssigkeit mit einem silbergrauen Label und wissen, weil sie sich gerade in der Getränkeabteilung befinden: Diese Marke muss Coca-Cola light sein.”

(Quelle; stoppelige Übersetzung von mir)

Scamell-Katz nennt dieses Prinzip “Colourshape” (siehe dazu auch: Warum Kunden sich über umgeräumte Regale im Supermarkt ärgern). Und natürlich funktioniert es statt mit Cola genauso mit – Fischstäbchen. Discounter wie Netto (ohne Hund) nutzen unsere Unaufmerksamkeit, um uns die eigene Marke anzudrehen. Gleichzeitig suggerieren die fast identischen Discount-Verpackungen eine ähnliche Wertigkeit wie beim “echten” Markenprodukt bei niedrigerem Preis. Freilich ohne denselben Werbeaufwand wie der Produzent des Originals zu haben.

Was können Markenhersteller dagegen tun? Die Packung ändern? Orangensaft-Produzent Tropicana hat in den USA vor einigen Jahren genau das versucht. Das Unternehmen hat seine Saftkartons neu gestalten lassen, dabei genauestens auf die Ergebnisse der Marktforschung gehört – und ist grandios gescheitert. Weil die Kunden im Laden das neue Design nicht gewöhnt waren, meint Scamell-Katz:

“Sie konnten Tropicana einfach nicht mehr sehen, weil alle Orientierungspunkte des alten Designs, das sie mit der Marke verbanden, weg waren.”

(Dass viele Leute das neue Design schlicht hässlich fanden, könnte natürlich ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Wäre aber genauso interessant.)

Radikale Design-Änderungen sind, wenn die Forscher Recht haben, für Hersteller bekannter Marken tabu. Und die Discounter können weiter verhältnismäßig gefahrenfrei kopieren. Es sei denn, sie verlieren von alleine die Lust daran – so wie Lidl.

Mehr dazu steht im nächsten Blogeintrag.

(Ach ja, und weil Sie jetzt so lange rumgebummelt haben, sind Ihre Fischstäbchen natürlich aufgetaut.)

Fotos: Supermarktblog

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Dieser Text ist (mit Absicht) ziemlich Banane

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Wenn Sie die “Simpsons” nicht mögen, eine Abneigung gegen Käse haben und die Straßenseite wechseln, sobald Ihnen der Briefträger mit seinem Wägelchen entgegenruckelt, müssen wir uns heute mal vorzeitig voneinander verabschieden. (Tschüß!) Denn dann ist dieser Text ganz bestimmt nichts für Sie. Es geht darin nämlich um: Bananen. Die von Rewe zum Beispiel. Fällt Ihnen auf, was an dem folgenden Bild ungewöhnlich ist?

Bio-Bananen bei Rewe

Ganz genau: Die Bananen sind nicht (mehr) in Plastik verpackt! Dabei war das in vielen Supermärkten bis vor kurzem noch Standard, vor allem bei Bio-Ware. Dafür gibt es mindestens zwei Gründe.

1. In der EG-Ökoverordnung (bzw. den dazu gehörenden Durchführungs-Verordnungen) steht die Vorschrift, dass Unternehmen bei Herstellung, Transport und Lagerung Vorkehrungen treffen müssen, “um jedes mögliche Vermischen oder Vertauschen mit nichtökologischen/nichtbiologischen Erzeugnissen zu unterbinden” und deren Identifizierung eindeutig zu gewährleisten. Die Regelung soll verhindern, dass wir – absichtlich oder aus Versehen – beschummelt werden. Deshalb lassen viele Läden, in denen es außer konventionellem Obst und Gemüse auch nach Bio gibt, die Bio-Artikel in Plastik verpacken.

Was natürlich völliger Unsinn ist, wenn Kunden ein nachhaltig erzeugtes Produkt kaufen möchten, um zur Schonung des Planeten beizutragen, auf dem sie es zu verspeisen gedenken – und dabei gleichzeitig den Berg an unnötigem Plastikmüll vergrößern.

Schließlich sind Bananen von Natur aus schon ganz clever verpackt! Die Verpackung ist nicht nur leicht zu öffnen, sie zeigt sogar noch den Reifegrad an. Das soll ihr erstmal ein Verpackungsdesigner nachmachen. Trotzdem haben die Supermärkte lange nicht auf Plastik verzichtet:

2. Damit sie selbst nicht beschummelt werden. Weil an der Kasse die Gefahr bestünde, dass irrtümlicherweise der niedrigere Preis für die ebenfalls unverpackte konventionelle Ware berechnet wird.

Inzwischen scheint sich die Einsicht durchgesetzt zu haben, das auch auf anderem Weg erreichen zu können. Rewe erklärt auf Supermarktblog-Anfrage, man sei “der Auffassung, dass Plastikverpackungen zukünftig weiter reduziert werden müssen”:

“Daher beschäftigen wir uns seit geraumer Zeit mit dem Thema und erproben Alternativen, wie sich diese über die gesamte Prozesskette hinweg und im Alltag eines Supermarktes bewähren. Dazu gehören Netze (z.B. bei Äpfel, Zitronen). Oder auch Aufkleber, die sich bei Bananen aktuell als Lösung durchsetzt.”

Aufkleber, natürlich! Hätte man auch früher drauf kommen können. So wie Kaiser’s Tengelmann, wo Bananen schon länger einfach mit gut sichtbaren Aufklebern versehen werden, um Verwechselungen trotz fehlender Umverpackung auszuschließen. So:

Bio-Bananen bei Kaiser's

Dieselbe Erkenntnis hat auch Marktführer Edeka erreicht. Dort heißt es:

“Bei unseren Bananen der Marke Edeka Bio setzen wir keine Umverpackungen ein. Auch bei anderen ökologisch erzeugten Obst- und Gemüseprodukten, die als lose Ware angeboten werden können, verzichten wir zunehmend auf den Einsatz von Verpackungen, diese Produkte werden stattdessen einzeln mit Etiketten versehen. So ist eine klare Zuordnung an der Kasse weiterhin möglich.”

Bio-Bananen haben rote Labels, konventionelle schwarze (Foto):

Konventionelle Bananen bei Edeka

Nicht alle Artikel seien aber dafür geeignet, zum Beispiel Trauben oder Beeren: “Hier dient die Verpackung dem Schutz der Ware.” Auch bei Edeka waren die besser geeigneten Bio-Bananen aber lange Zeit plastikeingefilmt. Und bis zur Discount-Tochter Netto (ohne Hund) hat sich der Sinneswandel noch nicht herumgesprochen, dort landen Bio-Bananen weiterhin im Plastiksäckchen. Das könnte sich aber bald ändern, erklärt eine Sprecherin:

“Aktuell prüfen wir verschiedene nachhaltigere Verpackungslösungen sowie Materialien, um somit unseren ökologischen Anspruch an die BioBio-Range weiter auszubauen.”

Bio-Bananen bei Netto (ohne Hund)

Welche Lösungen oder Materialien das wären, mag Netto (ohne Hund) derzeit nicht verraten. Kein Problem, für praktische Hilfestellungen gibt’s ja dieses Blog – und Lebensmittelläden im Ausland, die mit dem Nachdenken schon ein bisschen früher angefangen haben. In den Niederlanden hat sich Albert Heijn dafür entschieden, Bananen einfach mit einem Klebeband zu umwickeln. Spart viel Plastik und macht Fairtrade bzw. Bio trotzdem unverwechselbar

Fairtrade-Bananen bei Albert Heijn

Es gibt aber einen noch besseren Weg, um Kennzeichnungsprobleme zu vermeiden: indem Supermärkte komplett auf Billig-Bananen verzichten. (Warum das ein sinnvoller Schritt ist, wissen Sie spätestens, wenn Sie die ARD-Doku “Billig, billiger, Banane” gesehen haben.) In Großbritannien wirbt Sainsbury’s damit, seit 2007 ausschließlich Fairtrade-Bananen zu verkaufen: 650 Millionen im Jahr, jede Minute 1200 Stück. 2012 ist der Wettbewerber The Co-Operative nachgezogen (Foto).

Fairtrade-Bananen bei The Co-Op in Großbritannien

Die niederländische Supermarktkette Plus bietet seit 2010 ausschließlich Fairtrade-Bananen an. (Die sind zwar nicht automatisch Bio, aber es ist ein erster Schritt, um Produktionsbedingungen zu verbessern.)

“Seit der Umstellung ist der Umsatz mit Bananen um 10 Prozent gestiegen”,

berichtete der Mitarbeiter der Fairtrade-Stiftung, mit der Plus in den Niederlanden kooperiert, der ARD.

Von Fairtrade als Standard sind wir in Deutschland noch ein ganzes Stück entfernt. Obwohl die großen Supermärkte zumindest daran zu arbeiten scheinen, Bedingungen für konventionelle Ware zu verbessern (Edeka kooperiert mit dem WWF, Rewe hat sein Label “Pro Planet” und hier schon mal Position bezogen). Längst nehmen selbst die Discounter Bio-Ware ins Regal. Eingeschweißt, versteht sich. Und zwar, wie bei Aldi Süd, genau wie die konventionellen Bananen. So kann man nochmal draufschreiben, um welches seltsame Obst es sich hier handelt:

Bananen von Aldi Süd

“Wir setzen uns, wann immer es möglich ist, für Abfallvermeidung ein, und versuchen stets, auf unnötige Umverpackungen zu verzichten”, bemüht sich Aldi Süd auf Nachfrage zu erklären. Besonders bei Obst- und Gemüse habe man seit 2010 “durch den Einsatz von speziellen Transportkisten einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Transportkartonagen leisten” können. Tja. Aus “hygienischen und transporttechnischen Gründen” seien Verpackungen manchmal “unvermeidlich”. Eigentlich ist der Grund für Aldi, Obst und Gemüse weiter in Plastik zu hüllen, viel einfacher:

“[Wir haben] in unseren Filialen keine Waagen. Es ist somit nicht möglich, lose Waren anzubieten, deren Preis über das Gewicht ermittelt wird.”

Nach der Anschaffung der hässlichen Riesenbrotbackschränke war vermutlich kein Budget mehr übrig, das für sinnvolle Verbesserungen hätte eingesetzt werden können.

Dass sich die großen Supermärkte zumindest langsam darauf besinnen, unnütze Umverpackungen wegzulassen, ist immerhin ein Anfang. Auch wenn manche gleich wieder zur Selbstsabotage tendieren. Rewe hat es zwar geschafft, seine Bio-Bananen plastikfrei zu kriegen – aber das ist wenig konsequent, wenn dafür die konventionellen der Billig-Eigenmarke “Erlenhof” im Regal daneben in Plastik eingeschweißt sind.

Erlenhof-Bananen bei Rewe

Dafür kämpft Rewe schon an anderer Stelle, der Gurkenfront:

“Erste Tests haben dort gezeigt, dass in diesem Fall eine Folie keinen zusätzlichen Nutzen hinsichtlich Haltbarkeit und Frische bringt. Sollten sich diese Tests bestätigen, werden wir zukünftig auf den Einsatz von Folie bei Gurken verzichten.”

Aber das passt farblich nun wirklich überhaupt nicht zu diesem Blogeintrag.

Mehr zum Thema im Supermarktblog: verpackungsfrei einkaufen.

Fotos: Supermarktblog

Veggie vom Discounter – passt das zusammen?

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Eine wachsende Zahl Deutscher findet es in Ordnung, nicht mehr jeden Tag ein Stück Fleisch auf dem Teller liegen zu haben. Viele verzichten gleich ganz darauf und ernähren sich komplett vegetarisch oder vegan und kaufen so genannte “Fleischersatzprodukte”. Die gehören inzwischen sogar zum Sortiment vieler Discounter.

Aber – lohnt sich das für Aldi, Penny & Co. überhaupt? Drei Erklärungsversuche (und ein Ratespiel).

1. Veggie-Käufer sind gar keine Vegetarier

Jedenfalls nicht mehrheitlich, hat die GfK ausgerechnet. In den vergangenen fünf Jahren haben sich die Umsätze mit vegetarischen Brotaufstrichen und “Fleischersatzprodukten” – sagen wir doch einfach: Alternativschnitzel – fast verdoppelt, nämlich auf 213 Millionen Euro. Nielsen kommt sogar auf einen Jahresschnitt von 289 Millionen Euro (Februar 2014 bis Januar 2015). Die GfK vermutet, dass unter den rund 11 Millionen Veggie-Käufern zahlreiche “Flexitarier” sind, also Leute, die ihren Fleischkonsum nicht ganz einstellen, aber zumindest reduzieren. Anders gesagt: Viele Veggie-Käufer sind gar keine Vegetarier. Sondern essen z.B. weniger Fleisch, weil sie Massentierhaltung satt haben oder die Umwelt schonen wollen.

Dabei werden ausgerechnet die Fleischkonzerne bald die größten Veggie-Produzenten sein: Vor einigen Monaten hat der Wurstproduzent Rügenwalder Mühle seine “Vegetarischen Schinken-Spicker” in die Läden gebracht und erzielt damit schon 15 Prozent seines Gesamtumsatzes. Ab diesem Monat soll es “Vegetarische Mühlen-Schnitzel” und “Mühlen-Nuggets” geben, “unterstützt vom Vegetarierbund”.

Wiesenhof legt mit “Crispy Schnitzel” und “Veggie-Sticks” unter der Marke “Paul’s Veggie” (mit echtem Deppenapopstroph) nach, Fleischproduzent Tönnies macht bald Tofu-Würstchen. (Mehr dazu hat FAZ.net aufgeschrieben.)

Für die Discounter ist das ein Zeichen, dass Veggie im Massengeschmack angekommen ist. Selbst der langjährige Veggie-Verweigerer Lidl hat nachgegeben und testet in einigen Filialen die neue Eigenmarke “My Best Veggie”, unter der drei Alternativwurstsorten im Regal liegen, die sehr an die Rügenwalder-Varianten erinnern.

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Ebenfalls getestet werden vegetarische Fertiggerichte mit Soja (Foto ganz oben) – weil es nun wirklich keinen Grund gibt, Leute zu verschrecken, die auf Fleisch verzichten wollen, aber nicht auf Fertigfutter.

Warum Alternativwurstverzehrer Tieren keinen großen Gefallen tut, wenn sie Produkte wie die von Rügenwalder oder Lidl kaufen, die vornehmlich aus Hühnereiweiß bestehen, hat Derik Meinköhn (der bis vor kurzem bei stern.de “Einfach vegan” gebloggt hat) kürzlich auf Facebook vorgerechnet:

“Vegetarische Mortadella besteht zu 70% aus Eiklar. Für die entsprechenden 121 kg Wurst würde man 84,7 kg Eiklar benötigen. 1 Ei wiegt 60 g und besteht aus 60% Eiklar. Also benötige ich für 84,7 kg Eiklar 2353 Eier. Ein Huhn legt 430 Eier in 1,5 Jahren, danach wird es geschlachtet, weil die Eierproduktion nachlässt. Also brauche ich theoretisch 5,5 Hühner um die benötigten Eier zu produzieren. Weil aber bei der Züchtung von Legehennen die männlichen Küken geschreddert werden, kommt man insgesamt auf 11 Tiere.”

2. Veggie-Käufer sind jung

34 Prozent aller Veggie-Produkte werden von Kunden unter 40 Jahren gekauft. Und genau diese Leute laufen den Discountern – allen Modernisierungen zum Trotz – immer noch in Scharen davon, weil sie laut GfK “alles, was sie brauchen, in einem Geschäft kaufen” wollen. Wenn dazu auch vegetarische Produkte gehören, die es aber im Discounter womöglich nicht gibt, ist das ein Kriterium, den kompletten Einkauf lieber gleich bei Rewe, Edeka oder Real zu erledigen.

Deshalb sind Supermärkte und SB-Warenhäuser bislang die Gewinner des Veggie-Booms. Sie haben eine große Auswahl an Alternativschnitzeln und sind deswegen Anziehungspunkt für die Jüngeren. Ein Großteil der Veggie-Artikel wird dort gekauft.

Insgesamt werden die Umsätze, die Discounter mit Sojaschnitzeln und Veggie-Wurst machen, kaum besonders hoch sein – so wenig Platz wie die meisten den Artikeln im Kühlregal einräumen. Aber im Zweifel sind diese Artikel eben entscheidend dafür, ob ein (junger) Kunde überhaupt zu Aldi, Lidl oder Penny geht.

3. Vielfalt ist Veggie-Discountkäufern wurscht

Herzlich willkommen, Sie haben’s zu Supermarktblog’s großem Discount-Veggie-Ratespiel geschafft. Erkennen Sie die Soja-“Vielfalt” auf diesem Foto – also: aus welchem Laden stammt welche vegetarische Bulette?

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Die richtige Antwort lautet: ist eigentlich egal. So sehen es offensichtlich viele Kunden, die Veggie im Discounter kaufen. Der Vielfalt wegen (oder der Appetitlichkeit der in Plastik verschweißten Burger-Auflagen) passiert das jedenfalls eher nicht. Die Produkte ähneln sich ladenübergreifend sehr, und die einfachste Erklärung dafür ist: Sie stammen ja auch vom selben Hersteller. Aldi Nord und Penny nennen auf der Verpackung ihrer Sojaburger das Hillesheimer Unternehmen Tofu Life als Produzenten, und die Netto-(ohne, ähm, Hund)-Burger sehen aus wie deren einbohnige Bulletengeschwister.

Dabei geben sich die Discounter große Mühe, mit unterschiedlichen Labels und Verpackungen darüber hinwegzutäuschen (v.l.n.r.: Aldi Nord, Netto [ohne Hund], Penny, Norma).

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Ähnliches gilt für Alternativschnitzel und Sojawürstchen, die bei der Appetitlichkeitsprüfung auch eher einen schweren Stand haben:

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Alternativ lassen sich auch Teile des bisher schon geführten Sortiments als vegetarierfreundlich auszeichnen, so wie das der Harddiscounter Norma seit einer Weile praktiziert, um seine Kundschaft mit fleischfreien Smoothies, fleischfreiem Pizzateig und fleischfreiem Salat zu begeistern.

Ach so, Sie warten sicher noch auf die Schnitzel-/Wurst-Auflösung (v.l.n.r.: Penny, Aldi Nord, Netto [ohne Hund], Aldi Nord):

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So sehr die Nachfrage nach vegetarischen Produkte derzeit auch steigen mag: Dass die großen Discounter demnächst zu Vegetarier-Paradiesen werden, müssen Freunde des luftdicht verpackten Schinkenspecks eher nicht fürchten.

Jedenfalls nicht, so lange man als Fleischvermeider bei Lidl vor dem Kauf italienischer Teigwaren noch darauf achten muss, ob die vermeintlich vegetarischen Nudeln der Edel-Aktionsmarke Italiamo unter Umständen “Spuren von Fisch (…) und Weichtieren” enthalten.

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Mit Dank an @vicari für die Inspiration.

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